Davide
Kapitel 1
Noch
war Davide Gandolfo nicht verärgert, aber doch immerhin bereits irritiert. Er
hatte nur einen ganz einfachen Wunsch geäußert, und zwar deutlich: er wünschte
diese Frau kennenzulernen!
„Vergiss
es lieber, sie hat sehr entschieden nein gesagt. Und es heißt, sie geht nie mit
Kunden aus!“
„Ich
bin kein Kunde, ich bin ihr neuer Boss. Das dürfte wohl etwas anderes sein,
oder?“
Antonio,
sein langjähriger Assistent, hätte ihm die Sache liebend gerne ausgeredet, aber
er rechnete sich keine großen Chancen aus. Hatte sein Chef erst mal eine Frau
ins Visier genommen, ließ er sich so schnell nicht wieder von ihr abbringen,
das war ihm nichts Neues. Zwar hatte er gerade erst völlig überraschend für ein
paar Wochen pausiert, aber nun schien seine alte Jagdleidenschaft wieder erwacht
zu sein.
Sie
tat ihm jetzt schon leid, denn schließlich wusste er, was auf die junge Dame
zukam: Gandolfo würde sie zum Essen ausführen und danach versuchen, mit ihr Sex
zu haben. Hatte er dabei Erfolg, würde er ihr an einem der nächsten Tage ein Bouquet
teurer Orchideen schicken und nie wieder etwas von sich hören lassen. Blitzte
er ab, was eher selten vorkam, dann gab’s auch keine Blumen. So lief das bei
ihm und die Kosten für Orchideen waren in den letzten Jahren bemerkenswert
gewesen.
Antonio
konnte von sich selber auch nicht gerade behaupten, sie gut zu kennen, aber er hatte
diese Firmenübernahme über Monate hinweg vorbereitet und sie im Rahmen dieser Arbeiten
ein paar Mal flüchtig gesehen. Sie war ihm nicht unsympathisch gewesen und er
hatte den Eindruck gehabt, sie sei nicht so oberflächlich wie die anderen
Gänschen hier. Da sie schon abgelehnt hatte, schienen die paar Gerüchte zu
stimmen, mit denen er aufwarten konnte: sie machte sich nichts aus
Verabredungen mit Verehrern, vielleicht war sie lesbisch. Sie lehnte Geschenke
und Einladungen generell ab, sie war definitiv eine Zicke. Und sie kannte
sicherlich den Ruf ihres potentiellen Verehrers und neuen Arbeitgebers
Antonio
Bellan seufzte ergeben. Sie war schließlich erwachsen und er stand ebenfalls auf
Gandolfos Gehaltsliste, warum also sollte er sich die Zunge verbrennen?
„Wenn
du meinst. Versuchen kannst du’s ja mal, aber was das betrifft soll sie sehr
eigensinnig sein, also versprich dir nicht zuviel!“
„Vielleicht
lässt sie sich ja vom Argument mit den anstehenden Stellenkürzungen eher überzeugen
als von meinem Charme!“
„Falls
du vorhast, ihr vorzeitig zu kündigen, wenn sie nicht nachgibt, dann dürfte das
nicht ganz so einfach werden. Sie ist hier das dienstälteste Model und arbeitet
schon seit über sechs Jahren bei E. M.!“
„Und
damit ist sie nicht nur die Dienstälteste, sondern überhaupt die Älteste von
allen! Ist mir aufgefallen. Warum ist sie eigentlich noch dabei, sag mal! Sie
hätte doch schon längst ersetzt werden müssen, die jungen verdienen weniger und
bringen mehr!“
„Hab
ich auch gefragt, aber man sagte mir, dass sich Modelle, die sie in den
Katalogen trägt, besser verkaufen als andere.“
„Gefühlt
oder bewiesen?“
„Naja,
das Controlling von Ernesto hat in den letzten Jahren immer wieder Stichproben und
Marktanalysen gemacht und die Ergebnisse sprachen eindeutig für sie, also durfte
sie bleiben.“
„Ah!
– Na, mal sehen, wie sie sich heute Nacht noch schlägt!“, er ließ ein kurzes
Grinsen aufblitzen, das aber wenig belustigt aussah, „erst mal werd' ich mit
ihr reden, noch hab ich ja nicht vor, sie gleich vor die Tür zu setzen!“
Die
Gandolfo S.p.A. hatte an diesem Nachmittag endlich die Kaufverträge unterschrieben
und am Abend die Firmenübernahme mit einer bombastischen Modenschau im großen
Saal des Palazzo Re Enzo gefeiert. Jetzt gehörte ihm, Davide Gandolfo, auch „Ernesto
Moda“, das ehrwürdige, alteingesessene Modehaus am Platz und wer in Bologna Rang
und Namen hatte, war gekommen. Keiner wollte sich das Schauspiel entgehen
lassen, das er ihnen bot, wenn er auch noch in die hiesige Modebranche
einstieg.
Und
er hatte ihnen was geboten, einschließlich eines halbstündigen Feuerwerks um
Mitternacht gleich neben dem Brunnen des Neptun als Ausklang der Show und auch
diese selbst war nicht von schlechten Eltern gewesen. Was dabei Seltenheitswert
hatte, war die Tatsache, dass sich das Haus bis auf den heutigen Tag eigene
Models leistete, ein Umstand, den der Chefökonom seiner Firma sofort lautstark
bemängelt hatte. An dieser Schraube würde bald gedreht
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