Vom Kämpfen und vom Schreiben
erst an.«
In meinem Kopf erklingt jetzt ein Alarmglockenkonzert. Ich reagiere mit meinem schönsten Lächeln und löse die Situation auf rheinländische Art: »Ja, super gern, das machen wir. Ich melde mich per Mail. Aber jetzt muss ich los. Freut mich so sehr, dass wir uns kennengelernt haben!«
Ob wir noch was trinken gehen wollen, fragt er, wegen der neuen Zusammenarbeit, und weil er so ein tolles Gefühl habe.
»Nein, vielen Dank, ich werde gleich vom Veranstalter ins Maritim Hotel gebracht«, sage ich. Das ist natürlich gelogen, der Veranstalter hat mir ein kleines, preiswertes Hotel am Mainufer gebucht, direkt neben einem Eros-Center, aber das binde ich Herrn Klausen sicher nicht auf die Nase. Überraschenderweise wird er sich nie mehr bei mir melden.
Wenn eine Tür zufällt, geht ein Fenster auf
Im anbrechenden Frühling 2011 verbringe ich wieder viel Zeit mit meinem Selbstmarketing im Internet, schreibe Veranstalter an, knüpfe Kontakte, verkaufe ab und zu signierte Satirebücher, alles läuft prima, bis auf eines: An meinem Manuskript »Vom Kämpfen und vom Schreiben« arbeite ich nicht. Jeden Abend nehme ich mir vor, morgen weiterzumachen. Dann rufe ich den Text auf und weiß nicht, was ich damit anfangen soll.
Wer will das wissen? Wen wird es interessieren, ob, wie und wie lange ich gekämpft habe, um meine Bücher zu veröffentlichen? Wer soll das lesen? Erfolgreiche Schriftsteller? Erfolglose Autoren? Anfänger? Fortgeschrittene?
Wird der Verlag es bereuen, dieses Buch »blind« eingekauft zu haben? Wird der Handel es ordern? Werden die Leser es kaufen? Habe ich mich mit dem Plan dieses Buches maßlos überschätzt? Ist mein autobiografisches Buch genau so überflüssig wie diese Bücher, die ich selbst immer verächtlich belächelt habe?
Muss denn auch ich unbedingt meine Geschichte erzählen?
Gibt es nicht genug Ratgeber und Schriftstellerbiografien? Meine Regale sind voll davon, und es sind Bücher von gestandenen Autoren dabei, von solchen, die wirklich etwas zu erzählen und etwas vorzuweisen haben. Ich bin doch nur eine der eher erfolglosen Schreiberlinge, gemessen an – ja, gemessen an wem eigentlich? Meine Lesungen sind gut besucht, meine Leser geben mir positives Feedback, ein Verlag glaubt an mich und hat gerade drei Manuskripte von mir angenommen.
Und trotzdem: Was bilde ich mir eigentlich ein?
Ich muss noch mal von vorn anfangen, noch einmal das ganze Manuskript »Vom Kämpfen und vom Schreiben« durcharbeiten, um dann, hoffentlich, wieder in den Gedankenfluss einsteigen zu können.
Also lese dieses Manuskript wieder und wieder, korrigiere, ergänze. Erlebe vieles noch einmal, bin oft aufgewühlt und aufgeregt. Dann liest es sich gut, es hat Tempo, ist ein typischer »Berling«, aber es ist noch nicht zu Ende. Und ich weiß auch nicht, wie es weitergehen soll. Wieder kann ich nachts nicht schlafen, weil ich grübele, weil ich mich immer wieder frage, wie ich die Kurve kriegen soll. Es ist Ende März. In zwei Wochen soll das Buch fertig sein, im Mai muss ich es beim Verlag abgeben.
Morgens gilt der erste Gedanke dem Manuskript. »Vom Kämpfen und vom Schreiben«. Ist das ein guter Titel? Oder soll es »Das tapfere Schreiberlein« heißen? Oder: »Ein Künstlerleben«? Oder: »Ein Schreiberleben«? Oder wie?
Und dann schiebe ich es den ganzen Tag vor mir her, die Datei aufzurufen und einfach zu beginnen.
Himmelarschundzwirn, ich weiß doch, wie man sich selbst motiviert!
Ich weiß doch, dass man beim Schreiben inspiriert wird, dass man es dafür aber auch tun muss. Das weiß ich alles, und dennoch gelingt mir kein einziger Satz mehr. Vielleicht habe ich eine »Schreibblockade«, vor der sich jeder Schriftsteller fürchtet. Das hat man eben manchmal. Bin ich ein Schriftsteller? Dieses Buch ist doch bloß autobiografisch, das ist doch keine Kunst. So etwas zu formulieren, ist maximal Handwerk.
Aha! Ist das mein Problem? Habe ich Angst vor meiner eigenen Courage? Autobiografisch zu schreiben erfordert Mut. Will ich die Leser wirklich so nah an mich heranlassen? Worüber lamentiere ich eigentlich?
Es ist doch immer dasselbe: Diese Fragen stelle ich mir während jedes Projektes irgendwann, bei »Im Netz der Meister« gab es diese Phase ebenso wie bei »Jesses Maria«.
Einen Profi zeichnet aus, dass er sein Werk dennoch zu Ende bringt. Ich bin ein Profi, oder nicht? Immer noch nicht? Die unbekannten Faktoren kenne ich doch, bevor ich den ersten Satz schreibe, warum hemmen sie
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