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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Aber es ist viel gewöhnlicher, daß die Berichtigung unserer Vorstellungen und die Kenntnis eingetretener Zufälle nicht hinreicht, unsern Vorsatz ganz umzustoßen, sondern ihn nur wankend zu machen. Die Kenntnis der Umstände hat sich in uns vermehrt, aber die Ungewißheit ist dadurch nicht verringert, sondern gesteigert. Die Ursache ist, weil man diese Erfahrungen nicht alle mit einemmal macht, sondern nach und nach, weil unsere Entschließungen nicht aufhören, davon bestürmt zu werden, und der Geist, wenn wir so sagen dürfen, immer unter den Waffen sein muß.
    Soll er nun diesen beständigen Streit mit dem Unerwarteten glücklich bestehen, so sind ihm zwei Eigenschaften unentbehrlich, einmal ein Verstand, der auch in dieser gesteigerten Dunkelheit nicht ohne einige Spuren des inneren Lichts ist, die ihn zur Wahrheit führen, und dann Mut, diesem schwachen Lichte zu folgen. Der erstere ist bildlich mit dem französischen Ausdruck coup d’oeil bezeichnet worden, der andere ist die Entschlossenheit.
    Weil die Gefechte im Kriege das sind, was zuerst und am meisten den Blick auf sich gezogen hat, in den Gefechten Zeit und Raum wichtige Elemente sind, und es in jener Periode noch mehr waren, wo die Reiterei mit ihren rapiden Entscheidungen die Hauptsache war: so ist der Begriff eines schnellen und treffenden Entschlusses zuerst aus der Schätzung jener beiden Dinge hervorgetreten und hat daher einen Ausdruck zur Bezeichnung bekommen, der nur auf richtiges Augenmaß geht. Viele Lehrer der Kriegskunst haben ihn daher auch mit dieser beschränkten Bedeutung definiert. Aber es ist nicht zu verkennen, daß bald alle im Augenblick der Ausführung gefaßten treffenden Entschlüsse darunter verstanden worden sind, z. B. das Erkennen des wahren Angriffspunktes usw. Es ist also nicht bloß das körperliche, sondern häufiger das geistige Auge, welches in dem coup [69] d’oeil gemeint ist. Natürlich ist der Ausdruck wie die Sache immer mehr im Gebiet der Taktik zu Hause gewesen, doch kann sie auch in der Strategie nicht fehlen, insofern auch in ihr oft schnelle Entscheidungen erforderlich sind. Entkleidet man diesen Begriff von dem, was ihm der Ausdruck zu Bildliches und Beschränktes gegeben hat, so ist er nichts als das schnelle Treffen einer Wahrheit, die einem gewöhnlichen Blick des Geistes gar nicht sichtbar ist oder es erst nach langem Betrachten und Überlegen wird.
    Die Entschlossenheit ist ein Akt des Mutes in dem einzelnen Fall, und wenn sie zum Charakterzug wird, eine Gewohnheit der Seele. Aber hier ist nicht der Mut gegen körperliche Gefahr, sondern der gegen die Verantwortung, also gewissermaßen gegen Seelengefahr, gemeint. Man hat diesen oft courage d’esprit genannt, weil er aus dem Verstande entspringt, aber er ist darum kein Akt des Verstandes, sondern des Gemüts. Bloßer Verstand ist noch kein Mut, denn wir sehen die gescheitesten Leute oft ohne Entschluß. Der Verstand muß also erst das Gefühl des Mutes erwecken, um von ihm gehalten und getragen zu werden, weil im Drange des Augenblicks Gefühle den Menschen stärker beherrschen als Gedanken.
    Wir haben hier der Entschlossenheit diejenige Stelle angewiesen, wo sie bei nicht hinreichenden Motiven die Qualen der Zweifel, die Gefahren des Zauderns heben soll. Der nicht sehr gewissenhafte Sprachgebrauch belegt freilich auch die bloße Neigung zum Wagen, Dreistigkeit, Kühnheit, Verwegenheit mit diesem Namen. Wo aber hinreichende Motive in dem Menschen sind, sie mögen subjektiv oder objektiv, gültig oder falsch sein, ist kein Grund, von seiner Entschlossenheit zu reden, denn, indem wir das tun, setzen wir uns an seine Stelle und legen Zweifel in die Waagschale, die er gar nicht gehabt hat.
    Hier kann man nur von Kraft oder Schwäche sprechen. Wir sind nicht pedantisch genug, um mit dem Sprachgebrauch über diesen kleinen Mißgriff zu rechten, sondern unsere Bemerkung soll bloß dienen, falsche Einwürfe zu entfernen.
    Diese Entschlossenheit nun, welche einen zweifelhaften Zustand besiegt, kann nur durch Verstand hervorgerufen werden, und zwar durch eine ganz eigentümliche Richtung desselben. Wir behaupten, daß das bloße Beisammensein höherer Einsichten und nötiger Gefühle immer noch nicht die Entschlossenheit macht. Es gibt Leute, die den schönsten Blick des Geistes für die schwierigste Aufgabe besitzen, denen es auch nicht an Mut fehlt, vieles auf sich zu nehmen, und die in schwierigen Fällen doch nicht zum Entschluß kommen können. Ihr Mut

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