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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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werden. 20000 oder 30000 Mann disponibler Landungstruppen, womit die Engländer Frankreich bedrohen, würden vielleicht das Doppelte oder Dreifache von französischen Kräften absorbieren, wobei man nicht bloß an Truppen, sondern auch an Geld, Kanonen usw. denken muß, welche Flotte und Strandbatterien erfordern. Nehmen wir an, daß die Engländer dazu 25000 Mann verwenden.
    Unser Kriegsplan würde also ganz einfacherweise darin bestehen:
    Erstens, daß sich in den Niederlanden
    200000 Mann Preußen,
    75000 Mann Niederländer
    25000 Mann Engländer
    50000 Mann norddeutscher Bundestruppen
    Summa 350000 Mann
    versammelten, wovon etwa 50000 zur
    Besetzung der Grenzfestungen verwendet werden und 300000 übrigbleiben, um gegen Paris vorzudringen und den französischen Armeen eine Hauptschlacht zu liefern.
    Zweitens: Daß sich 200000 Österreicher und 100000 Mann süddeutscher Truppen am Oberrhein versammelten, und gleichzeitig mit der niederländischen Armee vorzudringen, und zwar gegen die obere Seine und von da gegen die Loire, um der feindlichen Armee gleichfalls eine Hauptschlacht zu liefern. An der Loire würden sich vielleicht diese beiden Stöße zu einem verbinden.
    Hiermit ist die Hauptsache bestimmt; was wir weiter zu sagen haben, betrifft hauptsächlich die Entfernung falscher Ideen und besteht in folgendem:
    Erstens, die vorgeschriebene Hauptschlacht zu suchen und sie mit einem Machtverhältnis und unter Umständen zu liefern, die einen entscheidenden Sieg versprechen, muß die Tendenz der Feldherren sein; diesem Zweck müssen sie alles aufopfern und sich übrigens in Belagerungen, Einschließungen, Besatzungen usw. mit so wenigem als möglich behelfen. Wenn sie, wie Schwarzenberg im Jahre 1814 tat, sobald sie das feindliche Gebiet betreten, in exzentrischen Radien auseinandergehen, so ist alles verloren, und die Verbündeten verdankten im Jahre 1814 es nur der Ohnmacht Frankreichs, daß nicht in den ersten vierzehn Tagen wirklich alles verlorenging. Der Angriff soll einem kräftig getriebenen Pfeil und nicht einer Seifenblase gleichen, die sich bis zum Zerplatzen ausdehnt.
    Zweitens, die Schweiz muß man ihren eigenen Kräften überlassen. Bleibt sie neutral, so hat man am Oberrhein einen guten Anlehnungspunkt; wird sie von Frankreich angegriffen, so mag sie sich ihrer Haut wehren, wozu [639] sie in mehr als einer Hinsicht sehr geeignet ist. Nichts wäre törichter, als der Schweiz, weil sie das höchste Land Europas ist, einen geographisch herrschenden Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten einräumen zu wollen. Ein solcher Einfluß besteht nur unter gewissen, sehr beschränkten Bedingungen, die hier gar nicht vorhanden sind. Während die Franzosen im Herzen ihres Landes angegriffen sind, können sie keine kräftige Offensive von der Schweiz aus weder nach Italien, noch nach Schwaben hinein unternehmen, und am wenigsten kann dabei die hohe Lage dieses Landes als ein entscheidender Umstand in Betrachtung kommen. Der Vorteil des strategischen Dominierens ist zuerst hauptsächlich bei der Verteidigung wichtig, und was für den Angriff von dieser Wichtigkeit übrigbleibt, kann sich in einem einzelnen Stoß zeigen. Wer dies nicht weiß, hat die Sache nicht bis zur Klarheit durchdacht, und wenn im künftigen Rat des Machthabers und Feldherrn sich ein gelehrter Generalstabsoffizier finden sollte, der mit sorgenvoller Stirn solche Weisheit auskramt, so erklären wir es im voraus für eitle Torheit und wünschen, daß sich in eben diesem Rat irgendein tüchtiger Haudegen, ein Kind des gesunden Menschenverstandes finden möge, der ihm das Wort beim Munde abschneidet.
    Drittens, den Raum zwischen beiden Angriffen lassen wir so gut wie unbeachtet. Muß man, während sich 600000 Mann 30 und 40 Meilen von Paris versammeln, um gegen das Herz des französischen Staates vorzudringen, noch darauf denken, den Mittelrhein, also Berlin, Dresden, Wien und München zu decken? Darin wäre kein Menschenverstand. Soll man die Verbindung decken? Das wäre nicht unwichtig; aber dann kann man logisch bald dahin geführt werden, dieser Deckung die Stärke und Wichtigkeit eines Angriffs geben zu müssen, und also, anstatt auf zwei Linien vorzugehen, wozu die Lage der Staaten unbedingt nötigt, auf dreien vorzugehen, wozu sie nicht nötigt, und diese drei würden dann vielleicht zu fünf oder gar zu sieben werden und so die ganze alte Litanei wieder an die Tagesordnung kommen.
    Unsere beiden Angriffe haben jeder ihr Ziel; die darauf

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