Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
Vom Netzwerk:
gebraucht wurde. Man sieht, daß auf diese Weise kein Resultat zu erreichen wäre.
    Wenn man sich diese verschiedenen Verhältnisse überlegt, so wird man einsehen, wie leicht mit Beispielen Mißbrauch getrieben werden kann.
    Ein Ereignis, was nicht in allen seinen Teilen sorgfältig aufgebaut, sondern im Fluge berührt wird, ist wie ein aus zu großer Entfernung gesehener Gegenstand, an dem man die Lage seiner Teile nicht mehr unterscheiden kann, und der von allen Seiten ein gleiches Ansehen hat. Wirklich haben solche Beispiele den widersprechendsten Meinungen zur Stütze dienen müssen. Dem einen sind Dauns Feldzüge das Muster weiser Behutsamkeit, dem anderen der Zaghaftigkeit und Unentschlossenheit. Bonapartes Vordringen über die Norischen Alpen im Jahr 1797 kann als die herrlichste Entschlossenheit, aber auch als eine wahre Unbesonnenheit erscheinen; seine strategische Niederlage 1812 kann als eine Folge eines Übermaßes an Energie, aber auch eines Mangels daran vorgestellt werden. Alle diese Meinungen sind vorgekommen, und man begreift wohl, wie sie haben entstehen können, weil jede sich den Zusammenhang der Dinge anders gedacht hat. Gleichwohl können diese widersprechenden Meinungen nicht miteinander bestehen, und eine von beiden muß also notwendig unwahr sein.
    So sehr viel Dank wir dem vortrefflichen Feuquières für die zahlreichen Beispiele schuldig sind, womit er seine Memoiren ausgerüstet hat, teils weil dadurch eine Menge historischer Nachrichten auf uns gekommen sind, die wir sonst entbehren würden, teils weil er dadurch zuerst eine sehr nützliche Annäherung theoretischer, d. h. abstrakter Vorstellungen an das praktische Leben bewirkt hat, insofern die angeführten Fälle als Erläuterung und nähere Bestimmung der theoretischen Behauptung zu betrachten sind: so hat er doch den Zweck, welchen er sich meistens dabei vorsetzt: die theoretischen Wahrheiten historisch zu erweisen, schwerlich bei einem unbefangenen Leser unserer Zeit erreichen können. Denn wenn er auch die Ereignisse zuweilen mit einiger Umständlichkeit erzählt, so fehlt doch viel daran, daß aus ihrem inneren Zusammenhang die gezogenen Folgerungen notwendig hervorgingen.
    Aber das bloße Berühren von historischen Ereignissen hat noch den andern Nachteil, daß ein Teil der Leser diese Ereignisse nicht hinreichend kennt oder im Gedächtnisse hat, um sich auch nur das dabei denken zu können, was sich der Autor dabei gedacht hat, so daß für sie nichts übrig bleibt, als sich imponieren zu lassen oder ohne alle Überzeugung zu bleiben.
    Es ist allerdings sehr schwer, geschichtliche Ereignisse so vor dem Auge des Lesers aufzubauen oder sich zutragen zu lassen, wie es nötig ist, um sie [147] zu Beweisen brauchen zu können, denn es fehlt den Schriftstellern meistens ebenso sehr an den Mitteln als an Zeit und Raum dazu; wir behaupten aber, daß, wo es auf die Feststellung einer neuen oder einer zweifelhaften Meinung ankommt, ein einziges gründlich dargestelltes Ereignis belehrender ist als zehn bloß berührte. Das Hauptübel dieser oberflächlichen Berührung liegt nicht darin, daß der Schriftsteller sie gibt mit dem falschen Anspruch, dadurch etwas beweisen zu wollen, sondern daß er diese Ereignisse nie ordentlich kennengelernt hat, und daß von dieser oberflächlichen, leichtsinnigen Behandlung der Geschichte dann hundert falsche Ansichten und theoretische Projektmachereien entstehen, die nie zum Vorschein gekommen wären, wenn der Schriftsteller die Verpflichtung hätte, alles, was er Neues zu Markt bringt und aus der Geschichte beweisen will, aus dem genauen Zusammenhang der Dinge unzweifelhaft hervorgehen zu lassen.
    Hat man sich von diesen Schwierigkeiten bei dem Gebrauch historischer Beispiele und von der Notwendigkeit dieser Forderung überzeugt, so wird man auch der Meinung sein, daß die neueste Kriegsgeschichte immer das natürlichste Feld für die Wahl der Beispiele sein muß, insoweit sie nur hinreichend bekannt und bearbeitet ist.
    Nicht nur, daß entferntere Perioden andern Verhältnissen angehören, also auch einer andern Kriegführung, und daß also ihre Ereignisse weniger lehrreich und praktisch für uns sind, sondern es ist auch natürlich, daß die Kriegsgeschichte wie jede andere nach und nach eine Menge von kleinen Zügen und Umständen einbüßt, die sie anfangs noch aufzuweisen hatte, daß sie immer mehr an Farben und Leben verliert, wie ein ausgeblaßtes oder nachgedunkeltes Bild, so daß zuletzt nur

Weitere Kostenlose Bücher