Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
konnte man Hypnos anbeten, den Gott des Schlafes, und sich sicher sein, dass er sich mit gutem Schlaf auskennt.
Im Christentum, aber auch bei Juden und Moslems, gibt es hingegen nur einen Chef – und der macht alles. Kein Aufsichtsrat, keine Geschäftsführung, keine Abteilungsleiter. Inhaber: Gott. Und vor allem gibt es keinen anderen Gott. Dummerweise behaupten mit Allah und Jahwe noch zwei weitere Götter, es gäbe nur sie. Das erinnert ein bisschen an den Musiker Marius Müller-Westernhagen, der einmal zu einer deutschen Zeitung sagte: «Wer ist Grönemeyer?» Und das zu einer Zeit, als beide schon Musikgötter waren.
Mit dieser All-in-one-Lösung der monotheistischen Religionen (klingt sehr monoton, oder?) kann man vielleicht einen Kiosk betreiben oder
Air Berlin
, bis es jemandem auffällt, aber eine große Organisation wie die Menschheit? Wie soll das gehen? Gott
kann
nur überfordert sein. Und alle, die die Wunder der Schöpfung preisen, all die schillernden Tier- und Pflanzenarten, sollten nicht vergessen: Auf jede Spezies, die überlebte, kommen unzählige Fehlversuche, die es nicht geschafft haben. Ganz so wie bei Heimwerkern. Sie machen zwar alles, trauen sich alles zu, aber vieles geht eben daneben. Vögel ohne Flügel, Fische ohne Flossen, learning by doing, anders kann man das nicht bezeichnen.
Trotz ihrer unzähligen Gottheiten gelang es den Griechen, ihre Götter links liegen zu lassen, wenn es um Neugierde und Erkenntnisgewinn ging. Solange alles gottgegeben ist, braucht man sich eigentlich gar keine weiterführenden Gedanken um das Wie und Warum auf der Welt zu machen: Warum ist der Himmel blau? Weil Gott ihn blau gemacht hat. Warum gibt es Tag und Nacht? Warum können Vögel fliegen und wir nicht? Herrgott noch mal, weil er Tag und Nacht geschaffen hat und Vögel fliegen lässt und uns eben nicht, und nun halt die Klappe!
Ohne Nachfragen gibt es jedoch keine Wissenschaft. Und die Griechen haben fleißig nachgefragt und deshalb viel herausbekommen. In ihrer Naturphilosophie versuchen sie als erste Menschen überhaupt, natürliche Ursachen für bestimmte Ereignisse zu finden, und erfinden so nebenbei die Kausalität. Wenn ich dir eins über die Mütze gebe, gibst du mir eins über die Mütze. Das ist logisch, und, wen überrascht’s, auch die Logik ist eine griechische Erfindung. Aristoteles’ Definition einer formalen Logik war derart gut formuliert, dass Immanuel Kant noch zweitausend Jahre später zähneknirschend zugeben musste, den Einsichten des genialen Griechen selbst nach dieser langen Zeit nichts Elementares hinzufügen zu können. Dabei war Kant angetreten, um endlich ein paar Geistespunkte für die Deutschen einzuheimsen.
Was wir daraus lernen? Ein «Warum?» bringt einen weiter als tausend «Das ist halt so».
Immer noch hipp: Hippokrates
Bekommt heutzutage eine Ärztin in den USA ihre Approbation, also die Zulassung zur Ausübung ihres Berufes, dann leistet sie einen Eid, der sich am berühmten hippokratischen Eid anlehnt und den ein Grieche bereits vor über zweitausend Jahren erfunden hat: Hippokrates. Ist das ein Zeichen veralteter Medizin? Nein, es ist ein weiteres Zeichen der Modernität der alten Griechen.
Deutsche Ärzte müssen diesen Eid im Übrigen nicht leisten, auch wenn das viele glauben – und doch haben sich die Inhalte dieses Schwures in zahlreichen bis heute geltenden Gesetzen niedergeschlagen: Das Verbot der Sterbehilfe geht auf Hippokrates ebenso zurück wie die Schweigepflicht.
Der griechische Arzt hat bis zu seinem Tod um das Jahr 370 v. Chr. eine komplette medizinische Ethik erfunden, die bis heute Bestand hat. Zwar hat er nicht gesagt, dass es unmoralisch ist, in München Alkoholikern, die noch besoffen sind, Spenderlebern zu transplantieren, um die eigene Statistik aufzupeppen, aber wenn wir heute solche Medizinskandale erleben, besinnt man sich doch auf den antiken Arzt aus Athen: Alle Anordnungen sollen zum Nutzen des Patienten sein, und es gilt, Schaden von ihm abzuwenden, heißt es in dem nach ihm benannten Eid. Und so versuchen wir immer wieder aufs Neue, das ethische Niveau zu erreichen, das ein Grieche vor über zweitausend Jahren definiert hat.
Automatische Türen und Wasserhähne
Sowohl in der bahnbrechenden Gedankenwelt der Griechen als auch in ihren technischen Erfindungen entdeckt man immer eine große Portion Eleganz. Auch wenn oft von den opulenten römischen Bauwerken zur Wasserversorgung die Rede ist – und auch hier sein wird:
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