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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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märkischen Forschern als der historisch beglaubigte Ursprung der »Weißen Frau« angesehen werde, zu befriedigen, als ein Klopfen an der Tür das kaum begonnene Gespräch unterbrach. Ein ältlicher Mann mit spärlichem, nach hinten gekämmtem Haar, den sein spanisches Rohr und mehr noch der lange blaue Rock mit einem Wappenblech auf der Brust als Gerichtsdiener kennzeichneten, trat ein, übergab einen Brief an den alten Vitzewitz und machte dann wieder einige Schritte zurück, bis in die Nähe der Tür. Alles verriet den alten Soldaten. Berndt erbrach das Schreiben und las: »Hochgeehrter Herr und Freund! Ich säume nicht, Ihnen von dem Resultat eines ersten Verhörs, das ich gestern nachmittag noch mit der durch Ihre Umsicht entdeckten und eingelieferten Diebessippschaft angestellt habe, Kenntnis zu geben. Aus den beiden Strolchen, hinsichtlich deren sich Hohen-Klessin und Podelzig in den Ruhm der Geburtsstätte teilen, war, aller Kreuz- und Querfragen unerachtet, nichts zu extrahieren; die Frau aber, die jenen beiden erst seit kurzem zugehört und mehr noch durch anderer als durch eigene Schuld unter die Rohrwerder Sippschaft geraten ist, hat umfassende Geständnisse abgelegt, die sich einmal auf die zumeist in den Küstriner Vorstädten ausgeführten Diebstähle, sodann aber auch auf die Hehlereien beziehen, die dieses Treiben unterstützt haben. Am schwersten belastet ist unsere Freundin Hoppenmarieken. Ich bitte Sie, eine Haussuchung bei ihr veranlassen oder selbst leiten zu wollen, wobei ich, mit Rücksicht auf die besondere Schlauheit der vorläufig unter Verdacht Stehenden, Ihre Aufmerksamkeit auf Dielen und Wände des Hauses hingelenkt haben möchte. Der Einlieferung des geraubten Gutes, an dessen Auffindung ich nicht zweifle, sehe ich ehemöglichst entgegen. Ob es geboten oder in Erwägung ihrer Geisteszustände auch nur zulässig sein wird, der Bezichtigten gegenüber die volle Strenge des Gesetzes walten zu lassen, darüber sehe ich seinerzeit Ihrer gefälligen Rückäußerung entgegen.
    Turgany
«
     
    Berndt legte den Brief, den er mit halblauter Stimme gelesen hatte, vor sich nieder und sagte dann, zu dem alten Gerichtsdiener sich wendend: »Lieber Rysselmann, mein Kompliment an den Herrn Justizrat, und ich würde nach seinen Angaben verfahren.« Dann zog er die Klingel, »Jeetze, sorge für einen Imbiß. Frankfurt ist weit, und unser Alter da wird wohl die Mitte halten zwischen dir und mir. Nicht wahr, Rysselmann, sechzig?« Der Alte nickte. »Und dann schicke Krist zu Kniehase; er soll Nachtwächter Pachaly rufen lassen und mich auf dem Forstacker erwarten.«
    »Da klagt nun Renate«, fuhr der alte Vitzewitz fort, als Jeetze und Rysselmann das Zimmer verlassen hatten, »über öde Tage in Hohen-Vietz! Sage selbst, Kathinka, leben wir nicht, seit du hier bist, wie im Lande der Abenteuer? Erst ein Raubanfall auf offener Straße, dann ein Einbruch in unser eignes Haus, dann ein regelrechtes Diebstreiben unter Innehaltung taktisch-strategischer Formen und nun eine Haussuchung im Revier einer Zwergin – nenne mir einen friedlichen Ort in der Welt, wo in drei Tagen mehr zu gewärtigen wäre! Im übrigen bin ich neugierig, ob sich die Aussagen, die die Rohrwerder-Frau gemacht hat, auch bewahrheiten werden.«
    »Ich zweifle nicht daran«, bemerkte Lewin. »Nach allem, was mir Hanne Bogun gestern sagte, und noch mehr nach dem, was er mir verschwieg, konnt ich kaum etwas anderes erwarten, als was Turgany jetzt schreibt. Wann willst du nach dem Forstacker hinaus?«
    »Gleich, oder doch bald. Es darf nicht über den Vormittag hinaus dauern.«
    »Dürfen wir dich begleiten?«
    »Gewiß. Je mehr Augen, desto besser; wir werden sie der Schlauheit der alten Hexe gegenüber ohnehin nötig haben.«
    So trennte man sich. Berndt empfahl sich mit einigen Worten bei Kathinka, die sich nunmehr ihrerseits treppauf begab, um mit Renaten über die wunderlich widersprechendsten Themata, über Graf Drosselstein und den alten Rysselmann, über Wangeline von Burgsdorff und Hoppenmarieken, zu plaudern.
    Eine Viertelstunde später brach der alte Vitzewitz auf, in seiner Begleitung Tubal und Lewin. Sie gingen rasch. Noch ehe sie Miekleys Gehöft erreicht hatten, überholten sie Kniehase und Pachaly, die schon auf dem Wege waren, und bogen nun gemeinschaftlich mit ihnen in den Forstacker ein. Gleich darauf standen sie vor Hoppenmariekens Haus. Man war schon vorher übereingekommen, ganz regelrecht vorzugehen, das heißt, mit dem

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