Vor dem Urknall
darzustellen.
Schöpfungsvarianten
Am Anfang der griechischen Mythen, die in Europa vom Christentum verdrängt werden sollten, stand ein Zustand des Chaos, der auch als «leerer Raum» beschrieben wurde. In einer Version der griechischen Mythologie befand sich in dieser Leere ein Vogel namens Nyx, der ein goldenes Ei legte, aus dem Eros, der Gott der Liebe, hervorging. Die zwei Hälften der Schale wurden zu Himmel und Erde – Uranos und Gaia –, die wiederum die nächste Generation von Göttern – die Titanen – hervorbrachten, insbesondere Kronos, der eine Vielzahl weiterer uns bekannter Götter zeugte wie etwa Zeus. In anderen Versionen existierten bereits neben Eros weitere Gottheiten, so unter anderem Eurynome, die Göttin aller Dinge, die der Überlieferung nach Ordnung in das Chaos brachte.
In der chinesischen Mythologie (um noch weiter in die Ferne zu schweifen) ist von einem Gott namens Pan Gu die Rede, der ebenfalls aus einem Ei hervorging – eine Schöpfungsvariante, die der frühen Urknalltheorie durchaus entgegenkam, beschrieb diese doch den Ausgangspunkt für die Entstehung des Universums als kosmisches Ei. Pan Gu verharrte – gewissermaßen als Embryo – eine Ewigkeit in diesem Ei; als er ihm schließlich entstieg, wurde aus dem oberen Teil des Eis der Himmel und aus dem unteren die Erde. Anschließend schickte sich Pan Gu an – vergleichbar mit Slartibartfass in
Per Anhalter durch die Galaxis
–, mit Hilfe eines Meißels der Erdoberfläche Gestalt zu verleihen, und schuf Berge und Täler.
Am sonderbarsten mutet jedoch an, dass Pan Gu selbst zu einem Großteil der restlichen Schöpfung wurde. Dies ging – was für einen an eine Gottheit gebundenen Mythos ungewöhnlich ist – erst nach seinem Tod im Alter von 18 000 Jahren vonstatten, als nicht nur aus seinem linken Auge die Sonne, aus dem rechten der Mond und aus seiner Stimme der Donner wurde, sondern auch die Flüsse aus seinem Blut hervorgingen. Verblüffenderweise bildete sein Schädel das Himmelsgewölbe (und ersetzte damit offenbar den oberen Teil des ursprünglich vorhandenen Eis), und sein Fleisch verwandelte sich unabhängig von jenen von ihm selbst gemeißelten Bergen und Tälern in Erdreich. Und wir, so scheint es, sind wohl aus seinen Flöhen hervorgegangen.
Diese Darstellung rückt den Pan-Gu-Mythos in eine völlig andere Kategorie als die in der Bibel beschriebenen Anfänge des Universums. Beide Varianten weisen einen Gott als Schöpfer auf, aber während der jüdische Gott kein integraler Bestandteil der Schöpfung als solcher ist, sondern diese von außen vorantreibt, wird in der chinesischen Mythologie die Gottheit selbst zur unmittelbaren Quelle der Materie, aus der die einzelnen Teile des Universums hervorgingen.
Diese Verknüpfung eines Gottes mit einem Naturphänomen findet sich häufig in Schöpfungsmythen, erscheint jedoch aus heutiger Sicht als These eher unbefriedigend. In jungen Jahren war ich sowohl von den Sagen der alten Griechen als auch der alten Ägypter fasziniert, wenngleich ich den offensichtlichen Widerspruch zwischen einem eindeutig lebendigen Gott und dem eindeutig leblosen Wesen der Natur irritierend fand. Wie konnte jemand den Feuerball der Sonne als Streitwagen sehen, auf dem der menschenähnliche griechische Sonnengott Helios über das Himmelsgewölbe fährt? Und wenn wir schon dabei sind – wie konnte es sein, dass sich ein Gott nicht zu Tode langweilt, der tagein, tagaus nichts Besseres zu tun hat, als einen Streitwagen über das Himmelsgewölbe zu fahren, ohne die Möglichkeit zu haben, eine Pause oder gar Urlaub zu machen?
Als ich mich später mit den alten ägyptischen Schöpfungsmythen auseinandersetzte, fand ich es ebenso merkwürdig, wie jemand auf die Idee kommen konnte, das Himmelsgewölbe über uns sei der Körper der Göttin Nut, der einen Bogen beschreibt. Schließlich gibt es diesen Bogen noch nicht einmal (handelt es sich doch lediglich um die Begrifflichkeit einer mathematischen Darstellungsform, aber nicht um etwas real Existierendes), wie konnte es also sein, dass dieses Gewölbe eine Göttin war?
Die ägyptischen Mythen sind schwer zu fassen, da sie nicht auf einen so simplen Nenner zu bringen sind wie Mythen anderer Kulturen, in denen ein Gott für eine Sache oder eine These steht. So repräsentierte die Sonne zum Beispiel eine beträchtliche Anzahl verschiedener Götter oder zumindest verschiedene Seiten dieser Gottheiten. Bedenkt man allerdings, dass die
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