Vor dem Urknall
Zivilisation im alten Ägypten untrennbar mit dem Nil verbunden ist, so überrascht es nicht, dass am Anfang ihrer Schöpfungsmythen oft ein formloses Chaos aus Wasser steht, das als Nu oder Nun bezeichnet wurde. Die Welt, wie wir sie kennen, entstand, als ein Hügel aus diesen Urfluten erwuchs, auf dem Atum, der erste aller Götter, thronte. Dieser spie Schu, den Gott der Luft, und Tefnut, die Göttin der Feuchtigkeit, aus, deren Liaison wiederum die Himmelsgöttin Nut und den Erdgott Geb hervorbrachte.
Die Kinder dieser beiden Gottheiten – Osiris, Isis, Seth und Nephthys – übernahmen alsbald das Kommando im Himmel, obwohl viele weitere Gottheiten ihren Weg säumten. Eine andere Version dieses Schöpfungsmythos aus dem alten ägyptischen Königreich weist das gleiche Ende auf, beginnt jedoch mit dem Sonnengott Ra, der einem Ei im Ozean entsteigt und diese ersten vier Gottheiten hervorbringt. Später sollte Ra in der monotheistischen Aton-Religion, die unter der Regentschaft des altägyptischen Königs Echnaton eine kurze Blütezeit erlebte, zeitweilig zum Schöpfer der Sonne werden (erhob Echnaton doch den Gott Aton in Gestalt der Sonnenscheibe zum Gott über alle Götter Ägyptens).
In buddhistischen Mythen und einigen weiteren, die diesen gleichkommen, werden weder ein Gott noch ein Anfang des Universums postuliert; vielmehr legen sie nahe, dass alles unberechenbar ist (was eine äußerst unbefriedigende Antwort auf die von Kindern häufig gestellte Frage nach dem Warum darstellt). Auch wenn Mythen in ihrem Ablauf variieren, ist der Grundgedanke doch der eines Schöpfers (möglicherweise mehrerer), der sich des chaotischen oder formlosen Ausgangszustands annimmt, der in der Zeit vor der Schöpfung herrscht, und aus diesem ein veritables, mithin funktionierendes Universum macht (stets mit der Erde als Zentrum). Dass die Schöpfung immer wieder in der Weise beschrieben wird, sie sei aus etwas bereits Vorhandenem, Formlosem erfolgt, kommt nicht von ungefähr, lehrte doch die Erfahrung jene frühen menschlichen Zivilisationen, dass dies so vonstattengegangen sein muss.
Im Falle der meisten Dinge, die wir um uns herum sehen, lässt sich recht einfach sagen, was ihnen vorausging: woraus sie entstanden, wer sie schuf. Was ein von Menschenhand geschaffenes Objekt angeht, so ist dies offensichtlich, trifft jedoch auch auf, sagen wir, einen Gebirgszug oder die Erde selbst zu. Die physischen Kräfte und die Materie, die bei der Schaffung eines Objekts zur Anwendung kamen, waren bereits vor diesem Objekt vorhanden. Infolgedessen ist die Annahme durchaus natürlich, dass dem Universum etwas vorausging und dass dieses Etwas aus der zuvor existierenden «wilden» Natur das Universum formte oder modellierte, wie wir es heute kennen – vergleichbar mit einem Menschen, der aus wildem Getreide Brot macht.
Die Trennung von Schöpfer und Schöpfung
Auch wenn die weitgehend im Westen vom alten Griechenland ausgehende philosophische Revolution die Menschen in die Lage versetzte, das Universum in einer abstrakteren Weise zu betrachten – ohne sich auf einen bestimmten Schöpfer festzulegen –, fanden Philosophie und Religion weiterhin keinen gemeinsamen Nenner, sondern blieben zwei Parallelwelten. Selbst als Newton erste wissenschaftliche Zusammenhänge eines auf physikalischen Gesetzen beruhenden Universums nachwies, war dies kein Grund, die biblischen Ursprünge der Mythen in Zweifel zu ziehen. Noch im 19 . Jahrhundert war es gang und gäbe, die Lebensdauer von in biblischen Geschichten auftretenden Schlüsselfiguren bis zu Adam und Eva zurückzuverfolgen, um auf diese Weise die Schöpfung im Buch der Bücher zeitlich zu datieren.
Doch in dem Maße, wie sich das Bild des durch einen Schöpfungsakt entstandenen Universums änderte – und diese Veränderungen wurden stets drastischer –, schien die Notwendigkeit immer größer zu werden, sich von dem auf einem Mythos basierenden Vergangenheitsbild zu lösen und den Versuch zu unternehmen, einen wissenschaftlich fundierten Erklärungsansatz zu finden. Dies musste nicht zwangsläufig bedeuten, Gott außen vor zu lassen. Viele Leute waren (und sind nach wie vor) durchaus angetan von der Idee, zur Erklärung der Entstehung des Universums eine wissenschaftliche Methodik mit einer göttlichen Intervention zu kombinieren, um diese Methodik zur Anwendung kommen zu lassen. Alles deutet darauf hin, dass Gott – vorausgesetzt, die Welt, in der wir leben, ist seine
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