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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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sie hinein und klebte den Karton dann mit Paketband zu.
    Wenn sie Glück hatte, wäre das Haus schon bald verkauft, der Frühling würde kommen, und sie würde die Sonne Wiedersehen.

3
    New Orleans, Louisiana, 5. August
    Es war fast Mitternacht. Er wurde verfolgt. Wieder einmal. Dexter Whitlaw wandte den Kopf gerade weit genug, um aus dem Augenwinkel eine Bewegung sehen zu können. Das Blut rauschte ihm in den Ohren vor Erregung, und fast mußte er grinsen. Es gab einfach nichts Besseres als die Jagd, selbst wenn er die Beute war. Seit beinahe sechs Monaten waren sie nun schon hinter ihm her, und es machte ihm einen Riesenspaß, all seine Geschicklichkeit, all die alten Kenntnisse aufzubieten, um ihnen zu entwischen. Was für eine Hatz, quer durchs ganze Land, im Zickzack, in Schlenkern, und immer wieder auftauchen in den großen Städten, um einen weiteren Anruf zu tätigen. Er hatte nicht erwartet, daß es leicht werden würde, und man enttäuschte ihn nicht, aber er kannte seinen Mann.
    Nachdem das erste »Geh zum Teufel« in seinen Ohren verklungen war, hatte er mit seinem Katz-und-Maus-Spiel begonnen. Erpressung konnte so brutal sein wie eine Amputation, oder so delikat, als würde man versuchen, einen riesigen Lachs mit dem Faden einer Spinnwebe zu angeln.
    Zuerst hatte er seine Beweise präsentiert - einige davon zumindest; es sollte nur ein kleiner Vorgeschmack auf das sein, was er anrichten konnte, wenn man auf seine Bedingungen nicht einging.
    Wie erwartet, reagierte das Täubchen mit Zorn. Alles andere als eingeschüchtert, pfiff es seine Hunde herbei und hetzte sie Dexter auf den Hals. Die meisten Männer wären inzwischen bereits im Jenseits, aber Dexter hatte drei Jahre seines Lebens damit zugebracht, ausdauernd und geduldig zu sein, klug zu sein und sich seiner Umgebung so gut anzupassen, daß die Hunde ein paarmal direkt an ihm vorbeimarschierten, ohne es zu bemerken, genau wie Charlie und die Nordvietnamesen damals.
    Dexter fühlte sich großartig. So herrlich lebendig hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er den Russen vor dem Visier gehabt und gewußt hatte, daß einer von ihnen nur noch den Bruchteil einer Sekunde zu leben haben würde.
    Der Spürhund, der ihm zur Zeit auf den Fersen war, war besser als die anderen. Nicht so gut wie der gute alte Dex, dachte er überschwenglich, aber gut genug, um ihm ordentlich einzuheizen. Teufel noch mal, den kannte er sogar; falls er sich nicht irrte, wurde er diesmal von keinem geringeren als Rick Medina verfolgt, einem der besten Agenten, die der CIA damals, vor fünfundzwanzig Jahren, in den schwülen grünen Jagdgründen hatte. Eine andere Zeit, eine andere Welt, aber hier waren sie dieselben alten Spieler und dasselbe alte Versteckspiel.
    Dexter verschmolz mit der Dunkelheit, kauerte sich kurz nieder und wartete darauf, daß sein Verfolger den nächsten Zug machte. Ein weniger vorsichtiger Mann hätte zuerst geschossen und seine Identität nachher überprüft, aber dieser Kerl war gerissen. Angenommen, Dexter wußte nicht, daß er verfolgt wurde; ein überhasteter Mord eines
    Unbeteiligten, und das eigentliche Opfer verschwand auf Nimmerwiedersehen oder war zumindest für mehrere Wochen unauffindbar. Und dann durfte man auch die unerwünschte Einmischung der Cops nicht vergessen. Sicher, meist machten sich die Bullen keine großen Gedanken über das vorzeitige Ableben eines Penners von der Straße, selbst wenn dieses Ableben durch eine Kugel in den Schädel verursacht worden war. Aber man wußte ja nie; vielleicht war ja gerade nicht viel los, und ein wenig Aufregung kam gerade recht, oder es erschien unerwartet irgendein Fernsehteam auf der Bildfläche, das jede Menge Wirbel machte und die Cops zwang, die Arsche in Bewegung zu setzen -»Shit happens«, Mist passiert eben, wie schon die berühmte Autoaufkleberweisheit sagt.
    Dexter wartete also. Mit langsamen, geisterhaften Bewegungen beschmierte er sich Gesicht und Hände mit Dreck, um in der Dunkelheit nicht aufzufallen. Dann duckte er den Kopf und verharrte regungslos. Er wußte, daß er nun für jemanden, der etwa in die enge Gasse spähen mochte, buchstäblich unsichtbar sein mußte.
    Nach einigen Minuten hörte er, wie schlurfende Schritte näher kamen. Vielleicht war es ja sein Verfolger, der Jäger, vielleicht aber auch nur ein anderer Penner. Dexter regte sich nicht.
    Die Schritte hielten inne. Dexter stellte sich vor, was jemand, der in die Gasse blickte, wohl sehen mochte: herumliegende

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