Vor Jahr und Tag
zärtlich. »Vergiß nicht, das ist mein Krankenhaus, und ich kann die Schwestern dazu bringen, alle möglichen abscheulichen Sachen mit dir anzustellen.«
Er zuckte zusammen, doch sein Lächeln erlosch nicht. »Ein paar davon hab ich schon zu spüren gekriegt. Ich fürchte, ich hab meine Jungfräulichkeit verloren.«
»Ganz bestimmt«, versetzte sie. »Und jetzt schlaf, Liebling. Ich liebe dich, und ich werde da sein, wenn du aufwachst.«
»Ich weiß«, sagte er. »Du wirst mich nie verlassen.« Dann fielen ihm die Augen zu, und er schlief, während Karen seine Hand hielt und über ihn wachte. Und blieb. Wie versprochen, und wie er es erwartet hatte, war sie da, als er aufwachte.
John Medina saß da, die Fingerspitzen vor den Lippen zusammengelegt, und starrte nachdenklich ins Leere. Es war gut, daß mit Detective Chastain alles in Ordnung war. Jess hatte recht, was seine Einschätzung von ihm betraf. Ein Mann, der einen Schuß in die Brust wegstecken und seinem Angreifer obendrein noch ein Messer in die Kehle schleudern konnte, war ein Mann, der Respekt verdiente.
Er mußte bald gehen und zu seinem Auftrag zurückkehren, doch erlaubte er sich noch ein paar Augenblicke des Nachdenkens. Er hatte alle Emotionen fest in sich verschlossen gehalten, weil er nur so optimal funktionieren konnte, aber der Mord an seinem Vater hatte ihn hart getroffen, härter als alles seit Venetias Tod. Jetzt, da alles vorbei war, der Gerechtigkeit - und der Rache - Genüge getan war, konnte er all seinen Kummer und seine Wut herauslassen.
Die Presse war natürlich in hellem Aufruhr. Dexter Whitlaws Abschußbuch befand sich in Polizeigewahrsam, und der Abschnitt, der William Lakes Tod betraf, war veröffentlicht worden. Wilde Spekulationen kursierten über Stephen Lakes mögliches Motiv, doch John war sich ziemlich sicher, daß die Entscheidung, seinen Bruder umbringen zu lassen, durch nichts anderes motiviert worden war als den Wunsch, eine weitere Stufe auf der Karriereleiter zu nehmen. Er ließ den Kronprinzen aus dem Weg räumen, damit er seinen Platz einnehmen konnte.
John warf einen Blick auf seine Uhr. Die Zeit wurde allmählich knapp. Er erhob sich, warf die rote Baseballmütze in den Abfalleimer und fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare. Ein Flugzeug erwartete ihn, das er unbedingt nehmen mußte.
Er würde Jess bitten, Miss Whitlaw und ihrem Detective ein richtig hübsches Hochzeitsgeschenk zu schicken.
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