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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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aufgeführt werden? In der kleinseitner barocken Pfarrkirche St. Niklas von Vater Christoph und Sohn Ignaz Dientzenhofer. Hier regierte Strobach den Chor. Hierher sollte das Orchester des Nationaltheaters kommen.
    Es durfte keine Zeit verloren werden. Für Mittwoch, 14. Dezember 1791, den neunten Tag nach Mozarts Tod, wurde das Seelenamt angekündigt.
    Welches Requiem sollte Strobach wählen? Er entschied sich für Rosettis Wallersteiner Requiem von 1776, das dieser zu Ehren der Fürstin Marie Therese zu Oettingen-Wallerstein komponiert hatte.
    Das Sopran-Solo des Offertoriums sang Josepha Duschek.
    Ob Rosetti von der Prager Aufführung erfuhr?
    Sind Prager und Wiener Zeitungen nach Ludwigslust gelangt?
    In der Prager Oberpostamtszeitung vom 17. Dezember 1791 hätte Rosetti lesen können: «Den 14ten Dezember um 10 Uhr wurden in der kleinseitner Pfarrkirche bey St. Niklas die feyerlichen Exequien für den am 5ten in Wien entschlafenen Kapellmeister und k.   k. Hofkomponisten Wolfgang Mozart gehalten; eine Feyer, ganz des großen Meisters würdig, und die dem prager Orchester des Nazionaltheaters unter der Direkzion des rühmlichst bekannten Hrn. Joseph Strohbach, das sie veranstaltete, und allen berühmten hiesigen Tonkünstlern, die daran theilhatten, die größte Ehre macht. Am Tage selbst wurden durch eine halbe Stunde alle Glocken an der Pfarrkirche geläutet; fast die ganze Stadt strömte hinzu, so daß weder der wälsche Platz die Kutschen, noch die sonst für beynahe 4000 Menschen geräumige Kirche die Verehrer des Verklärten fassen konnte. Das Requiem war von dem berühmten Kapellmeister Rosetti, es wurde von 120 der ersten Tonkünstler, an deren Spitze unsere beliebte Sängerin Duschek stand, so herrlich exekutirt, daß Mozarts großer Geist im Elisium sich darüber freuen mußte …»
     
    Rosetti, berühmt in Prag und Wien, saß in Ludwigslust, und es ging ihm schlecht im mecklenburgischen Winter. Der Husten verfolgte ihn. Öfter mußte er seinen Konzertmeister Celentino bitten, die Orchesterproben zu übernehmen, ja sogar die Konzerte. Zum Komponieren kam er kaum. Eine ungekannte Schwäche zwang ihn, tagelang innezuhalten.
     
    Die Einladung des Königs Friedrich Wilhelm   II. an Rosetti, für einige Zeit nach Berlin zu kommen, erregte am Ludwigsluster Hof Befremden. Natürlich mußte Rosetti die Einladung annehmen. Aber: Wie kam es zu dieser Einladung? Welche Absicht hegte der Berliner Hof? Und vor allem: Was wollte Rosetti?
     
    Rosetti reiste im Februar nach Berlin. Er wohnte bei Tepper Unter den Linden. Er hatte kommen sollen, um im königlichen Schloß sein Oratorium «Jesus in Gethsemane» und seine «Halleluja»-Kantate aufzuführen.
    Am 17. Februar klopfte es an Rosettis Zimmertür. Er öffnete, und vor ihm stand sein alter Freund und Verleger Bossler aus Speyer.
    «Seit acht Jahren habe ich dich nicht gesehen!» rief Bossler.
    Rosetti umarmte ihn.
    Sie setzten sich. Bossler sagte: «Was ist mit dir. Du siehst krank aus.»
    «Mein Husten», sagte Rosetti.
    «Ich untertreib. Nicht krank siehst du aus, sondern entkräftet, fast unkenntlich. Verzeih, guter Freund, ich sag’s gradheraus: Ich fürchte, wenn du nicht in die Hände eines guten Arztes gerätst, wirst du, wie Mozart, unsere niederen Regionen bald verlassen.»
    Rosetti sagte: «Das ist das Erstaunliche: Seit ich in Berlin bin, geht es mir besser, nein: gut! – Und was führt dich nach Berlin?»
    «Ich begleite als Impresario Marianne Kirchgeßner auf ihrer Konzertreise. Sie ist eine Glasharmonikaspielerin. Sie ist blind. Voriges Jahr im Juni hat sie in Wien gespielt, und Mozart war in ihrem Konzert. Kurz vor seinem Tod hat er zwei Stücke für sie geschrieben: Das Solo-Adagio in C-Dur und das Quintett für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello.»
    «Das wußte ich nicht. Wie lernt sie die Stücke?»
    «Durch Vortrag am Klavier. Sie hat ein phänomenales Gedächtnis. Aber sag mir: Was tust du in Berlin?»
    «Ich bin bei den Proben zu meinem Oratorium …»
    «Der König liebt deine Musik sehr.»
    «… und ich soll die Aufführung leiten. Das Konzert wird am 2. März sein, im Weißen Saal des Schlosses. Es ist mein Berliner Concert spirituel.»
    «Ich komme natürlich. Sag: Wie ist der König?»
    «Die Hofkapelle zählt für meine Aufführung über 70 Personen. Dazu der Chor. Hofkapelle und Hofoper. Von der Hofoper kommen auch die Solisten: der Bassist Ludwig Fischer …»
    «Er hat vor zehn Jahren den Osmin

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