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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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gesungen in der Uraufführung der ‹Entführung aus dem Serail›.»
    «Das wußte ich auch nicht. Dann: der Tenorist Franz Hurka, der Altist Giuseppe Tosoni …»
    «Gute Namen.»
    «… und die Sopranistin Auguste Schmalz, die aber nicht zur Hofoper gehört.»
    «Wie ist der König.»
    «Er liebt die Musik. Er ist selber ein respektabler Cellist und hat bei der ersten Probe mitgespielt.»
    «Du dirigierst den König?»
    «So kann es kommen.»
    «Bei wem hat er gelernt?»
    «Bei Duport, dem ersten Cellisten der Hofkapelle, der auch komponiert.»
    «Über den König wird viel geredet.»
    «Die Leute nennen ihn den dicken Liederjan, weil er gerne ißt und wegen seiner Frauen. Aus der ersten Ehe mit Elisabeth von Braunschweig hat er eine Tochter. Aus der zweiten Ehe mit Friederike von Hessen, der Königin, hat er sieben Kinder, darunter ist der Thronfolger. Gleichzeitig lebt er seit seinem 23. Lebensjahr in einer Liaison mit Wilhelmine Encke, die ihm 5 Kinder geboren hat. Sie ist die Tochter eines Hornisten der Hofkapelle. Außerdem ist er mit zwei Hofdamen der Königin noch Ehen zur linken Hand eingegangen: mit Julie von Voß, die zur Gräfin Ingenheim erhoben wurde, und nach deren Tod mit der Gräfin Sophie von Dönhoff.»
    «Alle Achtung, du weißt Bescheid.»
    «Weil viel davon geredet wird. Aber es interessiert mich nicht.»
    «Sag mir, hast du einmal daran gedacht, nach Berlin zu gehen?»
    «Es ist ein Traum von mir.»
     
    Rosetti hatte keine Zeit, nach seinem Konzert noch in Berlin zu bleiben. Er mußte in Ludwigslust die Feierlichkeiten zum Geburtstag von Herzogin Luise am 9. März vorbereiten helfen.
    Er verabschiedete sich von Bossler und versprach ihm, drei neue Sinfonien nach Speyer zu schicken. Bossler wollte mit Marianne Kirchgeßner noch längere Zeit in Berlin verweilen.
    Kaum hatte Rosetti Berlin verlassen, krümmte ihn ein Hustenanfall, und so ging es in Ludwigslust fort. Er mußte sich zu Bett legen; die Anstrengung des Berliner Konzerts kam über ihn.
    Ende Mai las seine Frau ihm aus der Musikalischen Korrespondenz der Teutschen Filharmonischen Gesellschaft vor: «Des Königs Majestät haben in der diesjährigen Fastenzeit zwei sehr glänzende und von der ganzen doppelten königlichen Kapelle sehr gut ausgeführte geistliche Konzerte auf dem sogenannten weißen Saal des Schlosses gegeben, und durch des Etatministers Wöllner Exzellenz sämtliche berlinische Prediger beider Konfessionen dazu einladen lassen, die sich auch beinahe alle, einige 40 an der Zahl, dazu einfanden. Dieser weiße Saal, der größte und höchste des Schlosses, war sonst bloß durch weiße Gipsarbeiten und 12 weiße marmorne Statuen der Kurfürsten geziert, und die fürstlichen Trauungen geschahen nur in demselben; während dieser Regierung ist er mit schönen historischen Gemälden berühmter Meister behangen. Auf fünf großen kristallnen Kronleuchtern und auf 12 hohen 12armigen Girandolen brannten an 400 Wachslichter, so wie alle Säle, Zimmer und die Bildergalerie, durch welche man ging, gehörig erleuchtet waren. Das Orchester war mit Instrumentisten und Sängern sehr zahlreich und ausgesucht besetzt. In dem ersten Konzert am 2ten März war das Oratorium ‹Jesus in Gethsemane› und eine ‹Hallelujakantate›, beide von dem herzoglichen Mecklenburgischen Kapellmeister Anton Rosetti komponiert, letztere von dem Präpositus zu Pritzier H. J. Tode gedichtet, aufgeführt. Als Kunstwerk war die Ausführung gut, und nur als solche betrachtet sie der Hof und der Kunstkenner.»
    Rosetti sagte: «Ich gehe für immer nach Berlin. Dort werde ich gesund.»
    Seine Frau schwieg.
     
    Am 27. Juni mochte Rosetti nicht mehr essen.
    Am 28. Juni mochte Rosetti nicht mehr trinken.
    Am 29. Juni sagte er leise: «Gott hat mich geschlagen. Die Anfälle bringen mich um den Sinn meines Lebens.»
    Am 30. Juni, morgens, drehte er sich zur Wand. Um sieben Uhr abends wurde ihm ums Herz leicht.

QUELLEN
    Als Quellen haben mir u.   a. gedient Texte von Carl Friedrich Behrens, Martin Disselkamp, Günther Grünsteudel, Alexander Harvey, Carl Justi, Wolfgang Leppmann, Clemens Meyer, Cesare Pagnini, Michael Reinbold, Walter Rehm, Irvin S. Saposnik, Ludwig Schiedermair, Robert Louis Stevenson, Heinrich Alexander Stoll, Johann Joachim Winckelmann.
     
    Die kurze Skizze der Verhandlungen vor dem Kaiserlich-Königlichen Kriminalgericht zu Triest folgt der Mordakte Winckelmann: Die Originalakten des Kriminalprozesses gegen den Mörder Johann

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