Vorhofflimmern
fehlte nicht viel und
ich hätte mich heulend zu Boden geworfen.
Die Verkäuferin versuchte nochmals mich irgendwie zu
beschwichtigen: „Es ist leider nicht mehr zu ändern. Wenn Sie nur ein paar
Minuten eher gekommen wären...“
Ein paar Minuten?
„Moment! Hat etwa der Typ mit dem roten Shirt die letzten
Karten gekauft?“, fragte ich mit zitternder Stimme. „Groß? Dunkelhaarig? Sexy?“
Die Frau überlegte offensichtlich, ob es klug war mir zu
antworten. Sie sah mich mit großen Augen an. Erst als ich Anstalten machte
drohend einen Finger zu heben, nickte sie schnell mit dem Kopf.
Ich gab wohl wirklich einen beängstigenden Anblick.
Mit einem wütenden Zischen stürzte ich mich aus dem Laden und
suchte mit irrem Blick die Straße ab. Wo war der Kerl hin? Weit konnte er noch
nicht sein.
Wenn ich den erwische, dann...
Ja, was eigentlich dann?
Keine Ahnung, aber in meiner momentanen Verfassung könnte man
mit Sicherheit auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.
Auch nach intensivem Starren konnte ich den Fremden nirgends
entdecken. Im Nachhinein war ich ziemlich froh darüber. Die Begegnung hätte wohl
mit schwerer Körperverletzung und einer einstweiligen Verfügung geendet.
Mit geballten Fäusten machte ich mich auf den Nachhauseweg.
Dort würde ich sofort Vera anrufen und sie zur Schnecke machen. Schließlich war
sie schuld an dem ganzen Schlamassel.
Nun, das war so auch nicht ganz richtig, aber irgendwer
musste ja Schuld haben.
Kapitel 3
Der Tag ging genauso bescheuert
weiter, wie er angefangen hatte.
Die Sonne strahlte und daher war die Ambulanz Treffpunkt
sämtlicher Personen, die ihr Leben lieber im Inneren ihres Hauses verbringen
sollten. Fahrradstürze, Trampolinunfälle, unschöne Bekanntschaften mit der
Kreissäge und so weiter.
Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass sich unser
beschauliches Krankenhaus mitten in einem beliebten Kurgebiet befand und daher
Anlaufpunkt für Erholungsgäste und Urlauber aus ganz Deutschland war, was
gewisse Probleme hervorrufen konnte. Es wurde immer problematisch, wenn die
Mentalität eines Großstädters im Kururlaub, auf die eines niederbayrischen
Kleinstädters traf. Dabei spielten Verständnisprobleme zumeist die größte
Rolle. Und das hatte nichts mit einem angeblich schwierigen Dialekt zu tun...
Zum Beispiel wurde uns heute im Wartezimmer mit absolutem
Unverständnis begegnet, weil der Herr mit dem angesägten Daumen noch vor der
Dame mit dem angeschlagenen Knie dran genommen wurde. Welch eine Frechheit! Sie
war schließlich schon vor ihm hier gewesen und noch dazu war sie aus Berlin,
und überhaupt hatte sie in einer Stunde ihre nächste Anwendung, da musste sie
wieder zurück im Kurhotel sein!
Tja, so ein Pech. Die diensthabende Ambulanzschwester (quasi
ich) hatte leider keinerlei Mitleid mit der armen Berlinerin und wies sie mit
einem Lächeln darauf hin, dass ich sie natürlich sofort dran nehmen würde, wenn
sie sich einen Finger abgeschnitten hätte. Ich hätte da noch ein scharfes
Messer in der Schublade, das ich ihr gerne bringen könnte.
Die Frau schnappte empört nach Luft, während ein anderer
Patient (wahrscheinlich ein Niederbayer) neben ihr laut lachte und mir einen
kleinen Applaus schenkte. Ich schritt mit erhobenem Haupt davon und war mir
durchaus bewusst, dass ich gerade eine saftige Beschwerde riskiert hatte.
Eigentlich vertrat ich die Arbeitsmoral, immer freundlich zu meinen Patienten
zu sein, aber es gab Situationen, die mir dieses Prinzip unmöglich machten. Vor
allem, wenn ich eine solche Laune hatte wie heute.
Natürlich hatte ich Vera sofort angerufen, als ich mich
schwer verletzt und enttäuscht in meine Wohnung zurück geschleppt hatte. Ich hatte
ihre Nummer gewählt mit dem Vorsatz, sie ordentlich anzukeifen und unglaublich
sauer auf sie zu sein. Als ich das Gespräch beendete hatte, bemerkte ich
plötzlich, dass sie mich dazu überredet hatte heute Abend wegzugehen und auf
mein Leid einen Prosecco zu trinken.
So ein Mist!
Ich hatte keine Ahnung, wie Vera das geschafft hatte.
Eigentlich hatte ich absolut keine Lust auf ein nächtliches Gelage. Ja, es war
Freitag und ich hatte das Wochenende frei, aber trotzdem war ich keineswegs in
Partystimmung. Ich war unausgeschlafen, genervt und der Arbeitstag erwies sich
als überaus anstrengend. Außerdem tat mir mein Hintern bei jedem Schritt weh.
Um 23 Uhr stand ich trotz allem mit
Vera an einer Bar in der Disco Go und versuchte der Gesamtsituation etwas
Weitere Kostenlose Bücher