Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
nein, er hatte mehr Power.
Mark war dabei, sich neu zu schaffen, mit äußerster
Anstrengung, die – obwohl für den außenstehenden
Beobachter großenteils unsichtbar – umso nichts weniger heroisch war. Kareen stellte sich vor, wie sie versuchte, dies Olivia oder Martya zu erklären, und sie gab auf der Stelle auf. Delia? Nein, nicht einmal Delia. Sie brauchte nur Marks vier semiautonome Teilpersönlichkeiten zu erwähnen, von denen jede ihren eigenen Spitznamen hatte, und das Gespräch würde permanent den Berg runtergehen.
Eine Beschreibung der faszinierenden Art und Weise, wie sie alle zusammenwirkten, um die fragile Ökonomie seiner Persönlichkeit aufrechtzuerhalten, würde eine barrayaranische Familie, die offensichtlich nach einem akzeptablen Schwiegersohn suchte, nicht beeindrucken.
»Schluss damit, Mädchen«, warf Papa ein. Er lächelte
und gewann sich damit Kareens Dankbarkeit. Aber dann
fügte er hinzu: »Falls jedoch bei uns ein Heiratsvermittler im Auftrag der Vorkosigans anklopfen sollte, dann hätte ich gern eine Vorwarnung, um mich seelisch auf den Schock vorzubereiten. Miles kenne ich seit seiner Geburt.
Mark … ist eine andere Geschichte.«
Konnten sie sich keine andere Rolle für einen Mann in
ihrem Leben vorstellen als die eines potenziellen
Ehemanns? Kareen war sich keineswegs sicher, ob Mark
ein potenzieller Ehemann war. Er bemühte sich immer
noch mit allen Kräften, ein potenzieller Mensch zu werden.
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Auf Kolonie Beta war ihr alles so klar vorgekommen. Jetzt konnte sie fast spüren, wie der Nebel des Zweifels um sie herum aufstieg. Sie war froh, dass sie ihre Ohrringe abgenommen hatte. »Ich glaube, da wird niemand anklopfen«, sagte sie aufrichtig.
»Aha.« Ihr Vater lehnte sich deutlich erleichtert zurück.
»Ist er wirklich auf Kolonie Beta so schrecklich dick
geworden?«, fragte Olivia munter. »Eigentlich hätte das seine betanische Therapeutin doch nicht zulassen dürfen.
Ich dachte, diese Therapeuten sollten das in Ordnung
bringen. Er war doch schon dick, als er von hier abreiste.«
Kareen unterdrückt den Impuls, sich oder noch besser
Olivia die Haare zu raufen. »Wo hast du denn das gehört?«
»Mama hat gesagt, Lady Cordelia habe gesagt, ihre
Mutter hätte es gesagt«, offenbarte Olivia die Glieder der Kette des Klatsches, »als sie damals zu Gregors Verlobung beim Winterfest da war.«
Marks Großmutter war in diesem vergangenen Jahr den
beiden zunächst etwas verwirrten barrayaranischen
Studenten eine gute betanische Patentante gewesen. Kareen hatte gewusst, dass Großtante Naismith für ihre besorgte Tochter Cordelia eine Informationsquelle bezüglich des Fortschritts ihres seltsamen Klonsohns war, und das mit der Offenheit, die nur zwei Betanerinnen haben konnten; Großtante Naismith sprach oft über die Botschaften, die sie schickte oder erhielt, und sie gab Nachrichten und Grüße weiter. An die Möglichkeit, dass Tante Cordelia mit Mama sprechen würde, hatte Kareen gar nicht gedacht.
Schließlich war Tante Cordelia ja auf Sergyar gewesen,
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Mama war hier… Kareen ertappte sich dabei, wie sie
hektisch zurückrechnete und dabei zwei planetarische
Kalender miteinander verglich. Waren sie und Mark schon ein Liebespaar geworden, als die Vorkosigans zum barrayaranischen Winterfest zum letzten Mal zu Hause gewesen waren? Nein, puh. Was immer Tante Cordelia
jetzt wissen mochte – damals hatte sie es noch nicht
gewusst.
»Ich dachte, die Betaner könnten einem die
Gehirnchemie in jede gewünschte Richtung ändern«, sagte Martya. »Könnten sie ihn nicht einfach normalisieren, so schnipp und fertig? Warum dauert das so lange?«
»Das ist ja gerade der springende Punkt«, erwiderte
Kareen. »Den größten Teil seines Lebens hindurch hat
Mark erlebt, wie andere Leute gewaltsam an seinem
Körper und seiner Seele herumgemacht haben. Er braucht Zeit, um herauszufinden, wer er ist, wenn nicht Leute ihn von außen mit Zeug voll stopfen. Zeit, um eine Grundlinie zu entwickeln, sagte die Therapeutin. Er hat ein Problem mit Medikamenten und Drogen, wisst ihr.« Allerdings offensichtlich nicht mit denen, die er sich selbst von geflüchteten Jacksoniern besorgte. »Wenn er fertig ist – ach, macht euch keine Gedanken.«
»Hat dann seine Therapie irgendeinen Fortschritt gemacht?«, fragte Mama zweifelnd.
»O ja, gewaltig«, sagte Kareen, die froh war, dass sie endlich etwas eindeutig Positives über Mark sagen konnte.
»In welcher
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