Vorsatz und Begierde (German Edition)
Amy nicht bewußt aus seinem privaten und beruflichen Leben aus. Wenn sie einander trafen, kam ihm dieses Leben kaum in den Sinn. Der Mann, der sich da mit Amy in den Dünen vergnügte, war nicht mehr der mit Arbeit überlastete, zielstrebige, berechnende Wissenschaftler, der das AKW von Larksoken leitete, war nicht mehr der Bruder von Alice, der einstige Ehemann von Elizabeth, der Ex-Liebhaber von Hilary Robarts. Er überlegte, irritiert und ein wenig verärgert, ob sie denn absichtlich diese Zurückhaltung mißachtet hatte. Sie war ja ebenso verschlossen wie er. Er wußte inzwischen kaum mehr von ihr als an jenem windigen Augustabend vor knapp sechs Wochen, als sie einander in der Klosterruine begegnet waren. Sie hatten sich angeschaut und waren dann wortlos aufeinander zugegangen, als würden sie sich erstaunt wiedererkennen. Später hatte sie ihm anvertraut, daß sie aus Newcastle stamme, daß ihr verwitweter Vater wieder geheiratet habe, sie sich jedoch mit ihrer Stiefmutter nicht gut verstehe. Sie sei dann nach London gezogen, wo sie bei Bekannten untergeschlüpft sei. Das hatte zwar glaubhaft geklungen, aber er nahm es ihr nicht so ganz ab, was ihr wiederum, wie er vermutete, gleichgültig war. Sie hatte eher einen Cockney-Akzent als den der Leute weiter im Norden. Alex hatte sich aus Zartgefühl nie nach dem Kind erkundigt, aber auch deswegen nicht, weil er sie sich nicht als Mutter vorstellen mochte. Und sie selbst hatte ihm nie von Timmy oder dessen Vater erzählt.
»Warum unternimmst du nichts?« wiederholte sie. »Du bist schließlich der Boß.«
»Aber nicht über das Privatleben meiner Mitarbeiter. Wenn Hilary Robarts meint, sie sei verleumdet worden und müsse gerichtlich dagegen einschreiten, kann ich sie nicht abhalten.«
»Du könntest es, wenn du wolltest. Außerdem hat Neil nur die Wahrheit geschrieben.«
»Das wird bei einer Verleumdungsklage schwer zu beweisen sein. Pascoe sollte nicht allzusehr darauf bauen.«
»Sie wird auch kein Geld bekommen. Er hat keins. Wenn er die Gerichtskosten tragen muß, ist es aus mit ihm.«
»Daran hätte er eher denken sollen.«
Sie ließ sich in den Sand zurückfallen, und beide schwiegen. Nach einer Weile sagte sie, als hätten sie sich vorhin über Nebensächlichkeiten unterhalten: »Wie wäre es mit nächstem Sonntag? Am späten Nachmittag könnte ich kommen. Einverstanden?«
Sie trug es ihm also nicht nach; es war ihr nicht wichtig. Und falls es das doch war, hatte sie beschlossen, es zumindest vorläufig auf sich beruhen zu lassen. Und er konnte endlich den schwärenden Verdacht abschütteln, ihre erste Begegnung sei bewußt herbeigeführt worden, sei Teil eines von ihr und Pascoe ausgeheckten Plans gewesen, Hilary Robarts durch ihn von ihrem Vorhaben abzubringen. So ein Gedanke war doch unsinnig. Er brauchte sich nur die Unentrinnbarkeit ihrer ersten Begegnung vorzustellen, Amys leidenschaftliche, bedenkenlose, wollüstige Hingabe, um zu dem Schluß zu gelangen, daß ein solcher Verdacht abwegig war. Er würde am Sonntag nachmittag kommen. Vielleicht war es das letzte Mal. Darauf mußte er sich einstellen. Er mußte sich von dieser Hörigkeit – so angenehm sie ihm auch vorkommen mochte – befreien, so, wie er auch Hilary losgeworden war. Zudem wußte er, daß diese Trennung keine Proteste, keine Bitten, kein verzweifeltes Heraufbeschwören der Vergangenheit auslösen würde. Daß er sie verließ, würde Amy ebenso gleichmütig hinnehmen wie die Tatsache, daß sie sich kennengelernt hatten.
»Okay«, erwiderte er. »Um 16 Uhr 30 am Sonntag, dem 25.« Die Zeit, die in den letzten Minuten stehengeblieben zu sein schien, verstrich wieder wie sonst. Es war fünf Tage später, und er stand am Fenster seines Zimmers und betrachtete den Sonnenball, der aus dem Meer emportauchte und mit seinen Strahlen den Osthimmel färbte. Vor fünf Tagen hatte er sich auf die Verabredung eingelassen. Er wollte sie auch einhalten. Aber damals in den Dünen hatte er noch nicht gewußt, daß er am Sonntag, dem 25. September, ein weiteres, ganz anders geartetes Rendezvous hatte.
18
Gleich nach dem Lunch schlenderte Meg Dennison zum Martyr’s Cottage. Die Copleys hatten sich nach oben begeben, um ihr Nachmittagsnickerchen zu halten. Sie überlegte noch, ob sie ihnen raten sollte, ihre Schlafzimmertür abzuschließen. Aber dann fand sie diese Vorsichtsmaßnahme unnötig und übertrieben. Sie würde die Hintertür verriegeln und die Vordertür zusperren. Außerdem
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