Vorstadtprinzessin
erst recht. Und nur Lauwarmes trinken. Nicht kalt, nicht heiß.« Doch vielleicht sollte er ihm die Pastillen aus isländischem Moos vorbeibringen und Salbeitee. Hardy hatte die Probe heute Abend abgesagt. Dabei sollte er am ersten Advent die Soli singen.
»Es kommt ein Schiff geladen« und »Wachet auf, ruft uns die Stimme«.
Ganz abgesehen von dem englischen Lied »In the Bleak Midwinter«.
Nils Freygang schaffte das nervlich nicht.
Nicht, in der ersten Reihe zu stehen, und schon gar nicht, zwei Schritte hervorzutreten, um ein Solo zu singen. Nils fing an, manisch zu werden mit seiner Angst, die Menschen sähen in ihm den Mörder.
Dankwart Trüber verließ das Haus und ging zur Apotheke, um den Tee und die Isla-Moos-Pastillen einzukaufen. Vielleicht tat Hardy ein bisschen Zuwendung gut. Von seinen Eltern war wohl keiner in der Lage, ihm etwas vorbeizubringen, was gegen die Erkältung half, und allem Anschein nach war das mit Gesa Ansorge auch vorbei.
Er ließ den Apotheker noch zwei Flaschen Fliederbeersaft dazupacken und freute sich an seiner Güte, als er bei Hardy klingelte.
Eine kleine Weile, bis Hardy heiser in der Sprechanlage zu hören war.
»Du, Dankwart?«, krächzte er. Hatte er doch die Ansorge erwartet?
Hardy stand in der Tür der Wohnung im zweiten Stock. Er trug einen schwarzen Morgenmantel mit beigefarbenen Bourbonenlilien. Den hatte er sicher noch in Frankreich gekauft.
»Ich bin gerührt, Dankwart«, flüsterte er, als der Chorleiter seine Gaben auspackte.
»Nicht flüstern, Hardy. Ich bereite dir den Tee noch zu.«
»Lass mal. Ich mache es gleich selbst«, sagte Hardy und drängte den Chorleiter freundlich zur Tür. In Trüber wuchs die Überzeugung, dass sein heiserer Sänger noch Besuch erwartete.
»Vielleicht hast du heute Abend schon eine Wunderheilung erlebt und kannst zu der Probe kommen«, sagte er.
Hardy band den seidenen Gürtel des Morgenmantels fester zusammen, doch der Chorleiter hatte es schon gesehen.
»Ich kenne mich nicht aus mit Kinderkrankheiten«, sagte er, »doch ich hoffe wirklich, dass dies nicht auch noch die Windpocken sind.«
In the Bleak Midwinter
K annst du mir sagen, warum der Kommissar das Bettzeug von Ellerbeks Frau mitgenommen hat?«, fragte Theo. Er stand am Fenster seines Zimmers und sah zu Ellerbeks Haus hinüber. Keiner hatte die Türen versiegelt. Auch die Kellertür hatte keine zusätzliche Sicherung. Der Kommissar schien Theo zu vertrauen. »Und den Stoffhund hat er auch noch genommen.«
»Keine Ahnung«, sagte Lucky. Er tippte zum wiederholten Mal die Nummer von Lenis Handy ein, doch es sprang nur die Mailbox an. »Vielleicht ist sie in der Drogenberatung. Ein später Termin, damit ihr Vater sie begleiten kann.«
»Versuch es doch mal bei ihr zu Hause«, sagte Theo.
Doch bei Leni zu Hause läutete das Telefon durch.
»Glaubst du, sie findet die Idee mit dem Weihnachtsmarkt gut?«
»Weißt du bei Leni nie. Doch ich denke, ja«, sagte Lucky. »Leni versauert sonst auf ihrem Geldhügel. Ihr Vater hat ihr verboten, allein in die Stadt zu gehen oder im Ort herumzulaufen. Aber er findet es sicher in Ordnung, wenn sie das mit dir und mir an der Seite tut.«
»Du hast einen ganz guten Draht zu ihm, nicht wahr?«
»Er glaubt nicht länger, dass ich um die Hand seiner Tochter anhalten will. Dafür hat er keinen einfachen Autoflicker auf dem Plan. Vielleicht lieber einen künftiger Professor der Philosophie.«
»Quatsch«, sagte Theo. Doch er träumte kurz an dem Gedanken herum.
»Kann mir nur vorstellen, dass der Kommissar glaubt, Jan Ellerbek habe in dem Bettzeug geschlafen«, sagte Lucky. » DNA und so.«
Theo nickte. »Sprich ihr doch auf die Mailbox. Dass wir mit ihr auf den Weihnachtsmarkt wollen.«
»Dann hören wir nie wieder was davon«, sagte Lucky. Doch er tat es. »Max kommt vor Weihnachten nach Hause und muss bis zum Prozess auch nicht mehr in den Knast«, sagte er dann.
Theo stand noch immer am Fenster und sah seine Mutter das Haus verlassen. Dienstag. Ma ging zur Chorprobe.
»Irgendwie ist das Jahr doch noch ganz gut gelaufen«, sagte Lucky.
Nicht für Tanja, dachte Theo, und nicht für die beiden anderen Mädchen.
»Das Bettzeug, das du gebracht hast, ist ganz und gar unschuldig«, sagte Lüttichs Kollegin. »Völlig andere Daunen.«
»Kannst du dir vorstellen, dass er noch einmal töten wird?«, fragte der Kommissar. Er hatte Lenis Vater gebeten, Leni nicht allein aus dem Haus gehen zu lassen. Lüttich seufzte. Bloß in
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