Vorstadtprinzessin
das dringende Bedürfnis, den ersten Blick darauf zu werfen und Theo dabeizuhaben. Bei diesem Auftrieb, den das Haus erlebt hatte, schadeten ein paar zusätzliche Spuren kaum mehr.
Lenis Vater gab den Lexus in der Werkstatt ab und nahm den Jaguar, auf den Lucky schon die Winterreifen aufgezogen hatte.
»Ich hole Leni ab.«
»Ist das nicht zu früh?«, fragte Lucky.
Es war doch erst Montagmittag.
»Leni weigert sich, dazubleiben, und die Ärzte haben medizinisch keine Einwände«, sagte Lenis Vater. Er hätte seine Tochter gern noch ein paar Tage gut untergebracht gewusst, so labil, wie Leni war. »Doch sie haben mir die Drogenambulanz der Uni-Klinik dringend ans Herz gelegt.«
»Danke, dass Sie offen zu mir sind«, sagte Lucky. Er lehnte die zehn Euro ab, die Lenis Vater ihm zustecken wollte.
»Ich bin Lenis Freund«, sagte er.
»Die Reifen haben damit nichts zu tun«, sagte Lenis Vater.
Theo öffnete die Kellertür und der Kommissar leuchtete den Keller mit seiner LED Lampe ab. »Bitte machen Sie die noch mal aus«, sagte Theo, »ich muss meine dunkle Brille holen.«
Lüttich hielt das für eine scherzhafte Anspielung auf die Stärke der Taschenlampe, doch Theo stand da wie ein Tier, das nicht mehr aus dem Licht der Scheinwerfer fand.
Der Kommissar schaltete die Lampe aus. »Ich warte hier unten«, sagte er und sah sich den Keller an, bis Theo zurückkam.
»Ist das eine Allergie?«, fragte Lüttich.
»Eine Überempfindlichkeit gegen alles Grelle«, sagte Theo. »Hab ich, seit ich ein kleines Kind war.« Er fühlte sich komisch mit der Ray Ban auf der Nase in Ellerbeks Keller.
In den oberen Räumen reichte das Tageslicht noch aus. Theo nahm die Zeichnung von der Wand und zeigte die Umrisse der Pendeluhr. Holte den Hirschhornknopf aus der Hosentasche und erzählte vom Mantel und dass Lucky den Bestatter in Verdacht habe. Doch es schien den Kommissar kaum zu interessieren. Er stieg in den ersten Stock hoch und guckte sich das Schlafzimmer an und die Betten.
»Hat sich irgendwas verändert, seit Sie das hier zum ersten Mal gesehen haben? Liegt die Bettdecke anders? Das Kissen?«
»Es sah genauso aus wie jetzt«, sagte Theo. Er war erstaunt.
»Und das Bett auf der linken Seite war schon abgezogen?«
Was glaubte der Kommissar? Dass Jan Ellerbek herkam und sich ins Bett legte und gelegentlich die Bettwäsche wechselte? Theo öffnete die Schrankseite, die leer war bis auf das Kissen und das Federbett in der Klarsichttasche. Der Kommissar nahm die Tasche aus dem Schrank und stellte sie in den Flur. »Sie haben gründlich gesucht«, sagte er.
»Vielleicht noch nicht gründlich genug«, sagte Theo. »Wir haben kein einziges Bild von Jan Ellerbek gefunden. Kann sein, dass es nur die Alben gab, die der Unbekannte wohl aus dem Koffer genommen hat.«
»Warum wollten Sie unbedingt ein Bild von ihm finden?«, fragte Lüttich.
»Lucky Oldelev meinte, dass es ganz nützlich sei, Ellerbek zu erkennen, sollten wir ihm auf der Straße begegnen.«
Sie stiegen zum Dachzimmer hinauf. Keine Veränderung, seit Theo vor ein paar Tagen hier oben gewesen war.
»Efeu und Farn«, sagte der Kommissar, als er die Tapete sah, »eine eigenwillige Kombination.«
Theo öffnete die Tapetentür. Lüttich sah die zerbrochene Scheibe an und bückte sich, um den Koffer zu betrachten. Spielzeuge, Karl-May-Bände, die kleine Lederhose, erste Kinderschuhe und den Stoffhund.
Er klopfte den Koffer nach Hohlräumen ab. Darauf waren Theo und Lucky nicht gekommen. Doch es blieb ergebnislos. Nur dass der Kommissar den kleinen grauen Stoffhund an sich nahm.
»Sie glauben, der Besitzer dieser Sachen ist zurückgekommen?«
»Warum bricht er dann in sein eigenes Haus ein und geht nicht zum Amtsgericht, um es in Besitz zu nehmen?«, sagte Theo. »Das kann nur einen einzigen Grund haben, denke ich.«
»Dass Jan Ellerbek der Täter ist«, sagte der Kommissar.
Das Spinnwebmusterpapier war zerknittert zwischen diesen Seiten des Albums. Hatte er nicht behutsam genug umgeblättert? Vielleicht weil ihn die Bilder auf diesen beiden Seiten besonders erregten?
Der Stoffhund in seinem Arm. Er hatte diesen Stoffhund geliebt.
Welch ein Fehler, ihn nicht auch mitzunehmen.
Doch eine innere Stimme sagte ihm, dass es nicht klug wäre, noch ein letztes Mal in das Haus einzudringen.
Dankwart Trüber legte das Telefon zur Seite und dachte daran, Hardy zu besuchen. »Nicht flüstern«, hatte er ihm geraten, »nur nicht flüstern, das reizt die Stimmbänder
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