Vorstandssitzung im Paradies
Gefahren zu kümmern.
Mir passierte nichts, also steckte ich erneut eine Hand in die Wurzelvertiefung und leckte sie ab, und noch immer traten keine Vergiftungserscheinungen auf. Ich wiederholte den Vorgang mehrmals. Alles schien gut zu gehen.
Schließlich, durch die Probeversuche ermutigt, schöpfte ich mit beiden Händen Wasser, wieder und wieder, und trank wie ein Steppenpferd. Das Wasser war warm, aber salzlos, und es enthielt zumindest keine Substanzen, die sofort töteten.
Nachdem ich meinen Durst gelöscht hatte, überkam mich wieder die Gier nach einer Zigarette, und ich fuhr mit der Hand in die Hosentasche. Ich begriff, wie sich Häftlinge beim zwangsweisen Nikotinentzug fühlen mussten.
Also stand ich auf und schlug wütend mit der Rettungsweste gegen die umstehenden Bäume, Sträucher, Lianen und was da sonst noch alles wuchs. Der Tobsuchtsanfall hatte zwei Folgen: Von den Bäumen tropfte Wasser, und unmittelbar danach klatschte mir etwas in den Nacken, kalt und schwer, es fühlte sich an wie eine feuchte Schlange.
Treffender hätte ich das, was da vom Baum gefallen war, kaum charakterisieren können. Als ich es von meinen Schultern entfernte und betrachtete, stellte ich fest, dass es tatsächlich eine Schlange war, ein grünes zischelndes Wesen mit kleinem Kopf, das sich aus meinem erschrockenen Griff zu befreien versuchte. Ich schleuderte es so schnell weg, wie ich irgend konnte, und rannte mit langen Schritten an den Strand. Dort hielt ich inne, wahnsinnig vor Angst, das glitschige Tier könnte mir bis dorthin folgen.
Die Schlange machte aber keine Anstalten, mich zu verfolgen. Dennoch betrachtete ich den Dschungel jetzt furchtsamer als vor ihrem Auftauchen.
Was tat ich anschließend? Ich ging am Strand weiter, die Rettungsweste über der Schulter, gereizt vor Hunger.
Ich ging den ganzen Tag, ohne dass mir jemand begegnet wäre und mich gefragt hätte, wohin ich unterwegs war.
Gegen Abend setzte ich mich traurig hin, löste mit dem Nagelknipser das Glas von meiner Uhr, goss das Wasser aus und blies in das Getriebe. Die Uhr ging wieder. Ich setzte das Glas wieder ein und stellte die Zeiger auf fünf, dann zog ich die Uhr auf und legte mich in den Sand, um zu schlafen. Nach meiner langen Wanderung war es in dem heißen, feuchten Sand eigentlich ganz angenehm.
Das war mein erster Tag nach der Notlandung, und ich fand, dass es keinen Grund zu Freudenausbrüchen gab.
3
Ich erwachte am nächsten Morgen in jämmerlicher Verfassung. Der Hunger war über Nacht noch gewachsen, und ich hatte wieder große Lust auf eine Zigarette. Immerhin wagte ich Wasser zu trinken, sodass ich nicht unter Durst zu leiden hatte.
Ich sagte mir, dass ich am vergangenen Tag wahrscheinlich in die falsche Richtung gegangen war, da ich niemanden getroffen hatte, und so beschloss ich, zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren.
Die Wanderung an einem einsamen Strand ist eine eintönige, mühselige Angelegenheit. Meine einzige menschliche Gesellschaft waren die eigenen Fußspuren vom Vortag. Der Ozean wogte weiß und schön, aber ich war zu müde, um den Anblick zu genießen. Der feuchte Dschungel reizte mich auch nicht zu Erkundungen.
Es wurde Abend. Ich schlief wieder im Sand. Am Morgen des dritten Tages gelangte ich in die Bucht, in die mich das Meer nach dem Flugzeugabsturz gespült hatte. Ich wanderte weiter gen Osten.
Ich stamme aus dem hohen Norden und bin an Wildmarkwanderungen gewöhnt. Aber wider Erwarten war mir diese Übung hier am tropischen Sandstrand keine Hilfe. Ich war erschöpft, vom Hunger geschwächt und kam nicht sehr schnell vorwärts. Aber ich ging trotzdem weiter, vor mir öffneten sich immer neue Lagunen.
Ich empfand tiefe Bitterkeit gegen die englischen Flugzeugkonstrukteure. Mussten sie denn Maschinen entwickeln, die keinen anständigen Sturm vertrugen? Ich dachte auch an die melanesischen Götter, denn womöglich hatten diese zahllosen Geister einer tausendjährigen Kultur für die Havarie gesorgt, hatten sich vielleicht ein wenig Abwechslung und Spaß in der Leere des tropischen Ozeans verschaffen wollen?
Nach der heißesten Stunde des dritten Tages entdeckte ich die erste Spur von Menschen.
Im feuchten Sand lag ein kleines, blaues Käppi, von den Wellen angespült. Ich sah es schon von weitem, und obwohl ich müde war, lief ich rasch hin, hob es auf und drehte es in den Händen. Es war ein adrettes kleines Kleidungsstück, vorn waren goldene Schwingen und die Initialen der britischen
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