Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
Eine ihm unbekannte Macht streifte frei durch das Land.
Mutter? Wo bist du?
»Sind wir bereit?« fragte Zwei Rauchwolken ruhig, als das von einem großen Feuer erhellte Lager in Sichtweite vor ihnen lag. An ein unentdecktes Betreten war nicht zu denken.
Feuertänzer begann zu schwanken. Seine Hand mit der Bißwunde war geschwollen, die andere Hand hielt die Schlange so fest umklammert, daß Zwei Rauchwolken mehr als einmal dachte, das Tier müsse inzwischen erstickt sein.
Gleichgültig zuckte Tangara die Achseln. »Ich bin bereits so gut wie tot, worauf soll ich mich noch vorbereiten?«
»Die Schwelle«, wimmerte Feuertänzer. »Wo ist die Schwelle?
Grauer Nebel… grau … Illusion.«
»Warten wir noch eine Weile«, beschloß Zwei Rauchwolken.
»Feuertänzer, deine Zeit ist gekommen. Träume, mein Junge. Träume!«
Die Kraft des heiligen Stechapfels begann pulsierend durch Schwerer Bibers Adern zu strömen und ließ ihn das Flüstern der Macht vernehmen. Vielleicht war es eine Dummheit gewesen, die letzte der kostbaren Pflanzen einzunehmen, aber er mußte jetzt im Augenblick des Triumphs die Stimme seiner Mutter hören.
Er trat in die Mitte des Tanzkreises, losgelöst von seinem Körper imponierte ihm sein stattlicher Schatten vor dem Licht des Feuers. Ruhe gebietend hob er die Hände. Im Bewußtsein der sich wirbelnd um ihn drehenden Macht trug er majestätisch den Kopf hoch.
Sieh her, Mutter. Sprich zu mir.
»Ihr seht meine Macht!« Wieder flackerten Lichtblitze am pechschwarzen Himmel, genährt von dem sich steigernden Inferno in den Buffalo Mountains, und strahlten die Wolken an.
Gierig wie Atemluft sog er die Hochrufe ein. Sie wuchsen in seinem Innern, füllten ihn an bis zum Platzen.
»Wir sind das Volk! Wir sind der neue Weg!« Ihre Lobpreisung überschwemmte seine Seele mit einem Schwall von Stolz. Mutter, sieh mich an! Sieh, was ich aus deinem Traum gemacht habe!
»Seht, Leute! Seht, ich verbrenne die Anit'ah!«
Feuerlicht umtanzte den am hohen Pfahl hängenden Büffelkopf. »Wir, das Volk, haben uns erneuert, Bruder Büffel! Laß deine Herden wachsen und nähre deine Brüder.
Niemand kann unseren Weg verändern! Wir haben uns vom verderblichen Einfluß haltloser Frauen gereinigt.«
Die Tänzer jubelten, hüpften und rasselten mit ihren Speeren. Das Leuchten in ihren Augen galt ihm allein. Sie achteten nicht auf das Feuer, sorgten sich nicht um die um ihr Leben kämpfenden Kameraden in den Bergen. Sogar die Frauen schauten ihn eingeschüchtert an und nahmen ohne zu murren ihr Los hin.
»Wer wagt es noch, Schwerer Bibers Macht herauszufordern?«
»Ich.«
Schwerer Biber erstarrte. Er traute seinen Ohren nicht. »Wer?« fragte er aufgebracht. »Wisse, du bist verflucht, wenn du noch einmal sprichst.«
Die Bilder aus seinem Alptraum peitschten wieder durch seinen Kopf. Das Volk wich zurück und bildete eine Gasse. Drei Leute -ein junger Mann, eine verkrüppelte alte Frau und eine große schlanke junge Frau - schritten durch die Reihen.
»Wer seid ihr?«
»Habe ich mich so sehr verändert, Schwerer Biber?« Die alte humpelnde Frau sprach mit der Stimme eines Mannes.
»Zwei Rauchwolken!« Die Erkenntnis durchdrang die schimmernde Süße des durch seine Adern fließenden Stechapfels. »Du bringst den schändlichen Schmutz eines Berdachen an einem solchen Tag zu uns?« Und der junge Mann, warum kam er ihm nur so bekannt vor?
»Ein Träumer ist gekommen«, sagte Zwei Rauchwolken mit fester Stimme. »Er ist gekommen, um die Spirale zu träumen - die du vergessen hast.«
»Und diese… diese Frau da?« Er wies auf Tangara.
»Ihr Name ist Tangara. Die größte Kriegerin des Rothand-Volkes. Sie ist zu unserem Geleit mitgekommen.«
»Ein eindrucksvolles Geleit, fürwahr.«
Der junge Mann trat vor. Mit einer geschwollenen Hand hob er eine Klapperschlange hoch. Ein seltsam bekanntes Glimmen in seinen Augen erregte Schwerer Bibers Aufmerksamkeit. Noch nach all den Jahren erinnerte er sich. »Ah - Kleiner Tänzer? Bist du gekommen, um das gleiche Schicksal zu erleiden wie deine Mutter? Oder haben dich die Anit'ah verstoßen?«
Feuertänzers unheimlich klingende Stimme drang klar und weit durch die Nacht. Mit der gesunden Hand hielt er ein Bündel hoch.
Das Wolfsbündel! »Ich bin gekommen, um mit dir zu träumen, Schwerer Biber. Gemeinsam tanzen wir den Großen Tanz der Macht.«
Lächelnd hielt er ihm die Klapperschlange hin. »Komm und tanz mit mir, Schwerer Biber.«
Mit aufgerissenen Augen
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