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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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murmelte etwas Unverständliches, ohne dabei die Lippen zu bewegen. Ihre Augen huschten ziellos hin und her.
    »Ruh dich aus, alte Freundin. Wir machen ein Feuer und bringen dir etwas zu essen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und gab Weiße Esche ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Draußen, außer Hörweite, blickte Flughörnchen Weiße Esche erschöpft an. In ihren alten Augen stand tiefe Resignation. »Ich sehe das nicht zum erstenmal. Sie leidet an Seelenabspaltung.«
    Weiße Esche holte tief Luft. Ihr Körper versteifte sich. »Du meinst, ihre Seele trennt sich von ihrem Körper? Genauso wie damals bei dem alten Keine Zähne?«
    Flughörnchen nickte. »Ich weiß auch nicht, warum. Dieses Leiden kommt besonders oft beim Weißlehm-Stamm vor. Manchmal ist nur eine Seite des Körpers betroffen, dann kann man im Laufe der Zeit auf Besserung hoffen. Aber bei Leuchtender Mond… wird es nur ein paar Tage dauern, bis sich die Seele auf den Weg macht.«
    Weiße Esche schluckte, ihr Herz pochte unruhig und voller Angst. »Wir brauchen einen Seelenflieger.
    Er soll für sie singen… sie heilen. Am besten schicken wir einen Boten zu Alter Falke. Wenn er von der Jagd zurückkommt, kann er vielleicht ihre Seele wieder zurücksingen … Warum siehst du mich so an?«
    Warme Zärtlichkeit spiegelte sich in Flughörnchens Miene. »Weil ich weiß, mein Kind, wie sehr du sie liebst. Ich weiß, welche Wohltat es für Leuchtender Mond war, dich die letzten acht Jahre um sich zu haben. Aber wir können nichts für sie tun.«
    Wie rasend schüttelte Weiße Esche die Fäuste. »Aber wenn Alter Falke…«
    »Schsch! Wen möchtest du losschicken? Junger Trommler? Er ist kaum vierzehn Sommer alt. Er weiß zwar, wie man draußen überlebt, aber glaubst du, bei all den Gefahren, denen wir ausgesetzt sind, die Männer würden eine Spur hinterlassen? Hmm? Und du weißt genau, wie das Wetter im zeitigen Frühjahr ist: warm am Morgen und am Nachmittag wildes Schneetreiben. Er würde sie niemals finden.
    Und wenn die Männer eine Büffelherde aufgespürt haben? Möchtest du die Macht der Jagd erzürnen?«
    »Aber sie stirbt!«
    »Ja, Mädchen. Du hast recht. Und wenn du nicht gleich das Feuer im Zelt in Gang bringst, erfriert sie auf der Stelle. Komm mit, ich habe etwas Glutasche, die kannst du mitnehmen. Sorge du für sie, und wir kümmern uns um den Rest. Wir alle haben Leuchtender Mond gern. Wir alle werden dir helfen.« Und so geschah es. Einige brachten dünnen Eintopf, andere versorgten sie mit Feuerholz oder warmem Tee. Wühlmaus setzte sich stundenlang zu Weiße Esche und erzählte ihr von den alten Zeiten. Sie genoß diesen Erinnerungsaustausch, bevor mit dem Tod ihrer Pflegemutter eine weitere Verbindung zu den längst vergangenen Tagen für immer abbrechen würde.
    Währenddessen lag Leuchtender Mond unbeweglich und hilflos auf ihrem Lager. Sie wurde zusehends schwächer.
    Weiße Esche pflegte sie liebevoll und hielt das Zelt in Ordnung.
    Weiße Esche fielen vor Müdigkeit fast die Augen zu; sie hatte stechende Schmerzen im Kreuz.
    Stöhnend nahm sie etwas Beifuß von einem Stapel Feuerholz und warf die Zweige auf die rotglühenden Kohlen. Hell leuchtendes gelbes Licht flackerte auf.
    Wie sollte sie Salbeigeist bei seiner Rückkehr gegenübertreten? Wie sollte sie den Anblick seines Leids aushalten? Salbeigeist lebte nur für Leuchtender Mond.
    Nie hatte Weiße Esche einen so guten Mann kennengelernt wie Salbeigeist. Er war ihr Schutzschild gegen die Welt geworden. Wenn sie ihm ihre Träume erzählte, lächelte er verständnisvoll und hütete sie wie ein Geheimnis. Wann immer sie ihn nach den Mächten fragte, trat dieser entrückte Blick in seine Augen, und ein merkwürdig wehmütiges Lächeln kräuselte seine Lippen. Aber er sprach niemals mit ihr darüber, sondern sagte nur: »Eine Macht handelt, wie sie will.« Dabei pflegte er ihre Schulter zu tätscheln und sie mit einem liebevollen Blick anzusehen.
    Sie blickte hinüber zu Leuchtender Mond. Die alte Frau war eine wunderbare Mutter gewesen. Ihr Tod würde in Weiße Esches Seele ein großes Loch reißen.
    Alles würde sich ändern. Wie würde ihr Leben aussehen, ihres und Salbeigeists? Was, wenn seine Seele krank wurde und er vor Gram starb?
    Mit ihren schlanken Fingern massierte Weiße Esche ihr starres Gesicht. Ihre Augen brannten; Erschöpfung lastete auf ihr wie das drückende Gewicht eines frisch gehäuteten Bisonfells. Salbeigeist würde sich auf sie verlassen. Er würde sie

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