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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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gesunde Hand gebrauchen konnte, war er ausgeglitten und gestürzt und hatte sich das rechte Bein verletzt. Glücklicherweise war Warmes Feuer in der Nähe gewesen und hatte ihn zurück ins Lager getragen. Warmes Feuer in Zeiten der Not und Prüfungen war er stets für ihn dagewesen.
    Warmes Feuers ermutigende, tröstliche Worte flüsterten in Kranker Bauchs unangenehmen Erinnerungen. Niemand sonst verstand ihn, niemand sonst behandelte ihn wie ein Wesen, das menschliche Würde besitzt. Und nun lag Warmes Feuer in der Hütte … nein, nicht daran denken.
    »Ich kann es nicht ändern«, flüsterte Kranker Bauch in die Nacht hinein. Alles hatte ein Geheimnis.
    Alles beschwor eine Frage herauf. Warum flogen Vogel? Woher blies der Wind? Wie kam es, daß Schnee, Regen, Hagel, Donner und Blitz allesamt ihren Ursprung in den Wolken hatten? Die meisten Angehörigen des Rundfelsen-Stammes hielten ihn für einen Narren, weil er über solche Dinge nachdachte.
    Kranker Bauch räusperte sich und genoß die auf seiner Haut prickelnden eisigen Nadelstiche des kalten Windes. In der Hütte war es heiß und stickig gewesen. Der Geruch der schwitzenden Körper hatte ihm die Luft genommen. Nur der stechende Duft der mit Wasser vollgesogenen Salbeiblätter und der zermahlenen Schafgarbe, von Schwarze Hand auf die heißen Herdsteine gelegt, hatten etwas Erleichterung verschafft. Salbei der Lebensspender befreite die Atemwege und diente dem Zauber der Erneuerung.
    Tief sog Kranker Bauch die kalte Luft in die Lungen. Es war Zeit, zurückzugehen und seine ganze Seele in die Gesundbetungsgesänge zu legen.
    Er hob den Blick zum sternenübersäten Himmel und sang: »Schöpfer, wenn du ein Leben nehmen mußt, nimm meines. Laß meinen Freund am Leben. Gib ihm Kraft und Glück. Nimm mein Leben an seiner Statt. Das Volk braucht ihn.«
    Sehnsüchtig lauschte er auf das Echo seiner Stimme und blickte antwortheischend zum Himmel hinauf. Doch nur der Wind stöhnte.
    Das unvermutete Geräusch auf Stein kratzender Krallen ließ ihn herumfahren, und er starrte auf ein riesiges Tier, das sich als schwarze Silhouette vom bläulich schimmernden Mantel des Nachthimmels abhob. Die bernsteinfarbenen Augen schienen von innen heraus zu glühen. Kranker Bauch fühlte sich, als habe ihm jemand eine Faust in den Unterleib gerammt.
    Vorsichtig einen Fuß hinter den anderen setzend, wich er zurück. Dabei fixierte er unablässig den Wolf. Geistertier, was willst du? Willst du eine Seele holen? Bist du die Antwort auf mein Gebet?
    Er nahm all seinen Mut zusammen und wiederholte laut: »Nimm mich. Laß Warmes Feuer leben.«
    Der Wolf senkte den mächtigen Kopf, legte die Ohren an, zog die Lefzen hoch und entblößte blitzende Zähne. Ein tiefer Klagelaut drang aus der Kehle des Tieres.
    Kranker Bauchs Ferse verfing sich im Gestrüpp. Er schwankte, fuchtelte wild mit den Armen und verlor das Gleichgewicht. Seine Lippen öffneten sich zu einem Schrei, als er zu Boden stürzte.
    Angstvoll rappelte er sich wieder vom knirschenden Schnee hoch und blickte verwirrt um sich.
    Der Wolf war verschwunden.
    »Nimm mich!« rief er und hob in einer Geste der Hoffnungslosigkeit den verkrüppelten Arm. Doch nichts rührte sich. Nur der Wind fuhr zischend durch die froststarren Beifußsträucher und blies Schneekristalle über die Verwehungen.
    Mit gesenktem Kopf ging er auf die Hütte zu. In der Hoffnung, das Tier sei noch einmal zurückgekommen, blickte er zurück zu dem abgerundeten Granitbrocken. Doch nicht einmal ein Schatten war zu sehen. Bekümmert schlug er den Türvorhang zurück und trat geduckt in die feuchte Hitze von Rittersporns Behausung. Das tanzende Feuerlicht und die Wärme vertrieben zwar die Kälte aus seinem Körper, doch seine Seele blieb wie zu Eis erstarrt.
    Bei seinem Eintritt erstarben die letzten Töne von Schwarze Hands Gesundbetungslied. Die Erdhütte, ungefähr drei lange Schritte im Durchmesser, bestand aus einem niedrigen kuppelartigen, kreisförmigen Aufbau und war bis zur Hüfte eines Mannes in den Boden gegraben. Vier stabile Dachstützen aus Kiefernholz erhoben sich auf jeder Seite des Feuers und bildeten ein viereckiges Balkengerüst. Dieses Gerüst umgab das Rauchabzugsloch. Schräge Dachsparren verliefen zu den Wänden der ausgehobenen Grube. Bündel und Beutel hingen an Riemen von den Sparren. Die Leute saßen Schulter an Schulter auf zusammengerollten Fellen entlang der Hüttenwände.
    Niemand schien Kranker Bauchs Abwesenheit bemerkt zu haben.

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