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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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fortschreitender Nacht wurde der Gesang lauter, eine fremde, unbekannte Art von Leben regte sich in den Tiefen des Waldes. Kürbisrasseln fielen rhythmisch in den Gesang ein. Tanzende Füße hämmerten schwer und zornig auf den Boden und ließen den Pfad erzittern. Die Bäume knarrten und knackten ächzend, als reiße man sie mit den Wurzeln heraus.
    Flechte wich angstvoll zurück. Doch dann rannte sie verzweifelt los; schnell wie der Wind wollte sie aus dem engen Tal entkommen. Am Wegrand bewegten sich unheimliche Schatten. Manche sprangen neben ihr her und äußerten zischend ihren Groll über ihre Anwesenheit. Grauenvolles Entsetzen befiel Flechte.
    »Erste Frau, Erste Frau, bitte!«
    Hinter der Biegung des Pfades tauchte plötzlich ein Maskentänzer vor ihr auf. Die riesigen schwarzen Augen und der vorgewölbte Mund der aus rosa Tonstein geformten Maske fingen das zersplitternde Rot des Sonnenuntergangs ein. Farbenprächtige Federn schmückten das Kostüm des Tänzers. Es sah aus, als habe jemand Adler, Falke und Eule aus verschiedenen Farbtöpfen bespritzt. Als Flechte den Tänzer ansah, schlüpfte er geschwind hinter einen Baumstamm. Aber ganz in ihrer Nähe sah sie die anderen. Mit glitzernden Masken stürmten sie durch das Dickicht.
    Flechte rannte weiter. Sie stürzte einen Pfad hinunter, der sich zwischen Bäumen und Gebüsch hindurch in immer dichter werdendes Unterholz schlängelte. Notgedrungen mußte sie ihr Tempo drosseln, denn Blätter und Zweige woben ein dichtes Netz um sie.
    War sie auf dem richtigen Weg? Der immer schmaler werdende Pfad führte nun wieder bergauf. Wie ein Kaninchen hastete sie auf Händen und Füßen weiter. Irgendwo schrie eine Eule. Plötzlich brach Flechte aus dem Dickicht des Waldes und fand sich auf dem schmalen Grat eines Gebirgszugs wieder.
    So weit das Auge reichte, führten Wege im Zickzack über den schiefergrauen Fels, wanden sich ineinander, trennten sich wieder und kreuzten sich wie die Spuren eines Wurmes auf der Rinde einer alten Espe.
    Welcher Weg ist der richtige? Welchen soll ich nehmen? Alle fuhren in verschiedene Richtungen.
    Flechte drehte sich im Kreis, blickte prüfend auf das Wegelabyrinth im Tal im Osten, dann auf die Pfade, die sich ins Hochland hinaufzogen, anschließend auf die steil nach unten in den dunkelsten Teil des Waldes führenden Hänge.
    Aus der Erinnerung sprach Wanderers Stimme zu ihr: »… Um den Pfad zu betreten, mußt du ihn verlassen. Nur die Verirrten finden den Eingang zur Höhle …«
    Flechtes Mund zuckte, ihr Blick verschwamm in Tränen. Sie schaute den Weg zurück, den sie heraufgeklettert war. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie dunkle, sich schemenhaft bewegende Schatten wahrnehmen. ;›Aber Wanderer, in diesem grauenhaften Wald gibt es keine Wege.«
    »… Nur die Schutzlosen überschreiten die Schwelle. Wolfstöter sagte, ich solle dich lehren, daß du das Licht nur finden wirst, wenn du den Einklang alles Gegensätzlichen begreifst, denn Licht ist auch Dunkelheit …«
    »Den Einklang alles Gegensätzlichen?« Die Worte schlüpften ihr über die Lippen. Sie wußte nicht genau, was sie bedeuteten. Sehnlichst wünschte sie sich, sie hätte ihm mehr Fragen gestellt, als sie noch die Gelegenheit dazu hatte. »Was wolltest du damit sagen, Wanderer? Heißt das, wenn ich in die Dunkelheit gehe, finde ich das Licht der Höhle der Ersten Frau? Weisen die Tänzer mir den Weg?«
    Feuerschwamm hatte zu ihr gesagt: »… Wie Krieger auf Kampfgängen stellen sich Träumer ihren Feinden auf Traumgängen. Bist du bereit, deine Seele zu geben? Dort wartet Vogelmann auf dich …«
    Flechte sog die Unterlippe zwischen die Zähne, kämpfte tapfer gegen die Angst an und machte sich auf den Weg nach unten, mitten in den Wald hinein, wo keine Wege das Land zeichneten, wo dunkle Bäume sie schweigend beobachteten.
    Der Gesang der alten Frau schwoll an und dröhnte in ihren Ohren. Flechte blieb stehen, erhob ihre Stimme zu den zwischen den Blättern hindurch funkelnden Sternen und rief: »Vogelmann!«
    Doch nichts geschah. Flechte eilte weiter, hob die Arme schützend vor das Gesicht, um die gegen sie peitschenden Kletterpflanzen und Zweige abzuwehren. Eine Zeitlang glaubte sie, ihre Angst besiegt zu haben. Aber dann kehrten die maskierten Tänzer zurück; sie umkreisten sie wie ein Wolfsrudel, ihre Füße stampften im Rhythmus der Trommeln und Rasseln. Sie konnte sie nicht deutlich erkennen, sah nur das Aufblitzen scheußlicher roter Münder und

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