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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Flechtes blasses Gesicht. Ihm war, als zögen sich seine Rippen wie feuchte Rohlederstreifen zusammen und krampften sich schmerzhaft eng um sein Herz. Sie sah so zerbrechlich und hilflos aus. Wie geht es dir in der Unterwelt, meine Tochter? Ich bete, daß Vogelmann dir hilft.
    Flechtes Lippen öffneten sich leicht. Als habe sie ihn gehört, stöhnte sie leise. Wanderer legte eine Hand auf ihren Arm und schloß fest die Augen. Er sammelte seine restliche Kraft, die noch in seinem Körper steckte, und konzentrierte sich darauf, sie auf Flechte übergehen zu lassen.
    »Wühlmaus … hilf mir.«
    Einen Augenblick später fühlte Wanderer, wie Wühlmaus' Kraft wie ein warmer Strom in Flechtes Körper floß.

KAPITEL 44
    Vogelmanns Füße hämmerten hinter Flechte auf den Boden. Er tanzte den Tanz der Jagd, drehte sich im Kreis, sprang in die Höhe und breitete die Flügel aus, so daß die Federn den Boden streiften.
    Sternenlicht umfloß seinen Körper, jede Feder schimmerte wie flüssiges Silber.
    »Nein! Vogelmann, warum machst du das?« kreischte Flechte und lief kopflos in das dichte Unterholz.
    Mit schmerzenden Lungen rannte sie in die immer undurchdringlicher werdende Dunkelheit. Die beißende Kälte drang durch ihr grünes Kleid und kribbelte auf der Haut.
    Schemenhafte Schatten huschten durch den Wald. Gelegentlich erhaschte ihr Blick das Aufblitzen von Jaspis- oder Muschelperlen, die die Masken der Tänzer schmückten.
    Vogelmanns Schritte hallten wie ein Echo wider: »Weißt du, warum Eulen mit ausgebreiteten Flügeln sterben, meine Kleine?«
    Flechte zuckte zusammen und schrie entsetzt auf, als sie ihn in den Ästen einer hohen Zeder sitzen sah. Mit angelegten Flügeln beugte er sich vor. Er spähte auf sie hinunter wie ein Geier, der gierig auf das Sterben eines verwundeten Rehs wartete. Sein Schlangenhautbauch glitzerte so strahlend wie zerstoßener Glimmer.
    Erstickt stieß Flechte hervor: »W-weil sie nie aufgeben und nie die Flügel anlegen!«
    Vogelmanns schwarze Augen funkelten, als brenne in ihrem Innern ein Feuer. Unruhig rutschte er auf dem Ast hin und her, trippelte vor und zurück und begann von neuem mit seinem wilden Tanz. Bei jedem seiner stampfenden Schritte rieselten dürre Nadeln kaskadenartig herab und wirbelten in dunklen Wellen auf den Boden.
    »Warum, Flechte? Warum geben sie nicht auf!«
    Der Wald geriet in Bewegung; sechs geisterhafte Gestalten schlurften zwischen den dunklen Eichen-, Hickory- und Zedernstämmen heraus. Einige trugen Masken mit einem Kopfschmuck aus wundervoll miteinander verflochtenen Maishülsen; andere hatten Tiermasken mit den nach oben gebogenen Hörnern von Bison, Hirsch und Wapiti angelegt. Die Meeresmuscheln auf ihren Beinkleidern funkelten verschwenderisch im Sternenlicht, das durch den Baldachin der Äste fiel. In den riesigen Augenhöhlen der Geschöpfe war nichts als leere, unheilvolle, leblose Schwärze.
    Flechte wich zurück und preßte den Rücken gegen den Zedernstamm. Die Tänzer scharten sich immer dichter um sie, streckten die Hände nach ihr aus und begannen, Maismehl auf sie zu werfen. Das Mehl benetzte ihre Haare und haftete klebrig auf Armen und Beinen.
    »Was macht ihr?« schrie sie, wohlwissend, daß Maismehl die Wege der Mächte reinigt und heiligt.
    Aber sie verstand nicht, warum die Tänzer sie damit bestreuten.
    Auf einmal zogen sich die Maskentänzer von ihr zurück und streckten Vogelmann die flehend geöffneten Hände entgegen. Sie begannen singend um Flechte herumzutanzen und starrten sie aus leeren Augenhöhlen an. Ihre Seele schrumpfte.
    »Gibst du auf, Flechte? Oder willst du für dein Volk fliegen?«
    »Ich möchte fliegen, Vogelmann! Ich wollte schon immer fliegen!«
    Vogelmann stieß einen Triumphschrei aus und stürzte sich, die scharfen Krallen nach ihr ausgestreckt, von dem hohen Ast herab. Flechte schrie erschrocken auf, als er sie zu Boden warf und seine Krallen wie ein Adler, der ein Erdhörnchen fängt, in ihre Brust schlug.
    »Vogelmann, nein! Du bist doch mein Geisterhelfer …« Sie versuchte ihn abzuwehren. Aber der Zugriffseiner Krallen wurde immer fester. Scharfe Schmerzpfeile schössen durch ihren Körper.
    Die unsichtbare alte Frau hatte wieder zu singen begonnen, und auch ihre Trommel schlug wieder.
    Vogelmann neigte den Kopf und starrte in Flechtes entsetzte Augen. »Habe ich dir nicht gesagt, daß sich die Eule manchmal von ganzem Herzen danach sehnt, eine Schlange zu sein, damit sie sich in ein Loch verkriechen

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