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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Ihr graues Haar fiel in langen Flechten vorn an seiner Lederjacke hinunter. Sie war im vergangenen Jahresumlauf fünfundfünfzig geworden, doch verkraftete sie die eiskalten Winter besser als er. Obwohl sich in ihre hohe Stirn Falten gegraben hatten, sahen ihre gerade Nase und ihr ebenmäßiges Kinn so vollkommen aus wie an dem Tag, als er sie das erste Mal gesehen hatte.
    Ihre vollen Lippen waren genau wie die seinen über dem zahnlosen Kiefer eingefallen, doch das störte ihn nicht. Für ihn war sie immer noch wunderschön.
    Sumachs graue Augenbrauen zogen sich zusammen. »Der Mammut-Geist-Tanz beginnt übermorgen, und Sonnenjäger ist noch nicht da. Das ist der vierte Tanz, den er in diesem Jahresumlauf versäumt.
    Warum kommt er nicht mehr? Alle Dörfer der Umgebung werden hiersein. Seine Abwesenheit wird den Leuten angst machen. Es ist, als hätte er den Glauben an den Tanz verloren. Er hat ihn ins Leben gerufen. Wie konnte das geschehen?«
    »Ich denke nicht, daß er den Glauben verloren hat, Sumach. Er singt noch immer für die Mammuts.
    Vor fünf Monden hat er mir erzählt, daß er jeden Tag träumt. Du weißt, wie schwer das ist. Vertraue ihm weiterhin. Er ist der letzte große Träumer, den das Küstenvolk noch hat.«
    Der Seewind reizte Melisses müde Augen. Er rieb sie heftig.
    Den Legenden zufolge hatte es eine Zeit gegeben, als Kamele und Mastodons die Hügel so dicht wie Frühlingsgras überzogen hatten. Mittlerweile aber schätzte sich jemand schon glücklich, wenn er in seinem ganzen Leben ein paar Dutzend zu Gesicht bekam. Die Geparden waren so selten geworden, daß Melisse sich kaum noch erinnern konnte, wie sie aussahen. Und die Riesenkurzschnauzenbären waren fast verschwunden, obwohl Melisse zugeben mußte, daß er darüber nicht traurig war. Sie waren furchterregende Tiere, schnell wie ein Pferd, wild wie ein wütender Löwe und beinahe mannshoch.
    Sonnenjäger sagte, daß all die großen Tiere, vom Mastodon bis zum Geparden, ihr Sterbelied im Wind gehört hatten und auf die Flügel der Donnerwesen geklettert waren, um über das Meer zum Land der Toten zu fliegen - als Strafe für die Menschen, die sie zu stark gejagt hatten. Das Schwinden der großen Pflanzenfresser hatte die vierbeinigen Jäger kühn gemacht. Oft schlichen sie sich in die Nähe der Dörfer, um sich ein Kind oder einen tattrigen Alten zu schnappen. Was war das für ein Zeichen, wenn ein Jäger den anderen fraß?
    Sumach setzte sich so auf den Sand, daß sie Melisse anschauen konnte. »Aber wir haben andere Träumer. Nicht so große wie Sonnenjäger, das stimmt. Klebkraut…«
    »… ist kein großartiger Träumer«, beendete Melisse den Satz, »wie oft auch immer er in seiner Hütte herumlungern mag und zu träumen behauptet. Er hilft nie im Dorf. Hast du ihn jemals jagen gesehen?
    Nein. Fischen? Ganz selten, wenn er nichts hat, um jemand anderen fürs Fischen zu bezahlen. War er je auf einem Kriegszug? Ich erinnere mich an einen, den ich angeführt habe, als Klebkraut siebzehn war. Alle anderen jungen Männer waren bereit, aber Klebkraut lief vor Angst schreiend in die Hütte seiner Mutter und versteckte sich dort.« Melisse schnaubte. »Er ist kein richtiger Mann.«
    »Du hast Klebkraut schon als Kind nie gemocht.«
    »Es geht einem auf die Nerven, Sumach, wenn ein fünf Sommer altes Kind versucht, sich stets als klüger hinzustellen.«
    »Nun gut, jetzt ist er ein Träumer. Mag sein, daß Mutter Ozean nie vorhatte, einen Jäger oder einen Krieger aus ihm zu machen.«
    »Wenn Klebkraut so ein großartiger Träumer ist, warum hat er dann erst vor fünf Sommern angefangen, Träume zu haben?«
    »Damals starb Wandernder Lachs. Das weißt du ja. Wir brauchten einen neuen Träumer.«
    »Wandernder Lachs war klug. Bevor sie von uns gegangen ist, hat sie uns gesagt, daß Sonnenjäger der nächste große Träumer für das Volk sein wird. Ich denke, Klebkraut dachte da anders. Aber Wandernder Lachs hatte recht. Nur Sonnenjäger konnte alle Berg- und Küstendörfer für ein gemeinsames Ziel vereinen: die Erhaltung der Mammuts in unserer Welt. Klebkraut hätte mit seinem Gejammer alle verjagt und …«
    »Du denkst, er ist ein falscher Träumer?«
    »Das habe ich nicht behauptet. Ich stelle mir die Frage, das ist alles. Schon als Kind war er merkwürdig. Hielt sich meistens allein. Und dann hat er nicht nur eine, sondern sogar zwei Ehen ruiniert, die seine Mutter so mühsam ausgehandelt

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