Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Mondschnecke. »Mit Muschelweiß verwandt zu sein wird uns eine Macht verschaffen, von der wir heute kaum träumen könnten. Nicht nur im Krieg. Auch der Handel würde davon profitieren. Aber ich will natürlich auf keinen Fall, dass du unglücklich wirst, Teichläufer. Ich werde dich nicht zwingen -«
»Großmutter …« Er straffte sich gegen die Decken im Rücken. »Warum ich?«
»Das ist eine gute Frage«, meinte Rotalge. »Muschelweiß könnte jeden Mann haben, den sie wollte.
Warum den mageren Teichläufer?«
»Ich will euch nicht belügen«, sagte Mondschnecke. »Ihr habt ein Recht darauf, die Hintergründe zu erfahren. Eure Mutter hat offenbar alles verspielt, was sie hatte, und als nichts mehr übrig war, um ihre Schulden an den Windeck-Clan zu zahlen, hat sie ihren Sohn angeboten.«
Rotalge stand mit offenem Mund da; sie war empört. Aber Teichläufer lächelte nur schwach. »Haben sie es angenommen?«
»Noch nicht. Aber wenn du einverstanden bist, werde ich Verbindung mit Schote aufnehmen, dem Schutzherrn vom Windeck-Clan, und dann setzen wir uns hin und feilschen darum.«
»Muschelweiß … kennt sie überhaupt meinen Namen?« Er klang so kummervoll, als wünschte er von ganzem Herzen, dass sie seinen Namen kannte. »Oder weiß sie nur, dass um ein Bündnis mit dem Kernholz-Clan gefeilscht wird?«
Mondschnecke drückte leicht seine Hand. »Die Blitzvögel blitzen furchtbar in deinen Augen, Enkel.
Beruhige sie. Das ist nur ein Anfang.« Das Gesicht von Mondschnecke verwandelte sich in ein Feld besorgter Falten. »Da ist noch ein anderer Grund, warum ich das für eine gute Lösung halte, Enkel. Der Traum von Hundszahn und die Überfälle von Kupferkopf … die Leute haben Angst.«
»Ich weiß.« Teichläufer schaute auf seine grob gewebte Decke herab; seine Familie färbte zwar alles, aber die Farben verblichen schnell, und übrig blieben nur undeutliche rote und gelbe Muster. »Ihre Angst wächst, ich fühle das. Es ist für alle das Beste, wenn ich fortgehe. Es macht mir nichts aus, Großmutter, tatsächlich -«
»Aber mir macht's was aus«, stieß Rotalge hervor. »Ich will nicht, dass du weggehst, Teichläufer.«
Sandgesättigte Windstöße schüttelten die Hütte. Teichläufer schloss die Augen und wartete das Ende des stürmischen Bebens ab, und Rotalge zog den Kopf ein. Der Wind fuhr heftig durch das Dorf, brachte die Kinder zum Schreien, die Hunde zum Bellen und verzettelte sich über dem Meer.
Teichläufer murmelte: »Ich werde dich auch vermissen, Rotalge, aber ich muss das tun. Bitte, Großmutter, regle das. Ich muss am Anfang des Nebelmonds im Windeck-Dorf sein.«
Mondschnecke blickte von Rotalge zu Teichläufer und sah dann düster in ihre Teetasse; offenkundig suchte sie die Augen ihrer Seele. Der Nebelmond begann in sieben Tagen. »Sagst du mir, warum du es auf einmal so eilig hast?«
Teichläufer antwortete: »Verzeih, Großmutter, ich kann nicht. Ich habe es versprochen.« Die Augen fielen ihm wieder zu, und sein Kopf kippte nach links. Nach wenigen Herzschlägen war er fest eingeschlafen.
Rotalge und Mondschnecke blieben einen ganzen Zeitfinger stumm sitzen. Dann lehnte sich die Großmutter vor und flüsterte: »Wovon hat er gesprochen, Rotalge? Wem hat er etwas versprochen?«
Rotalge schüttelte den Kopf; sie dachte an den Zwischenfall mit dem alten Hundszahn am Heiligen Teich. Ihr Bruder war nach dem Heimweg so krank gewesen, dass sie es nicht über sich gebracht hatte, ihn zu fragen, was ihm die Geister erzählt hatten, aber jetzt hatte sie eine Vermutung, wem er etwas versprochen hatte. »Ich weiß nicht, Großmutter.«
Mondschnecke sah Rotalge missbilligend an, als glaubte sie ihr nicht, aber sie beließ es dabei und stand auf. »Also dann komm mal, Kind. Höchste Zeit, dass wir dem Clan Bescheid sagen. Sie befürchten sicher, dass Schwarzer Regen wieder etwas angestellt hat. Wollen wir ihnen die gute Nachricht bringen. Geschwind. Bevor sie irgendetwas Dummes machen, zum Beispiel deine Mutter aufhängen, damit endlich Ruhe ist.«
Schote saß mit den anderen Geistältesten vom Windeck-Clan in der Ratshütte um die Asche des in der Nacht erloschenen Feuers herum. Auf die Tunika vom alten Eschenblatt war ein roter Wolf gemalt; er beugte sich zu Schote, und dabei wischte er sich kurzes weißes Haar aus der Stirn. Er flüsterte: »Ich sag dir. Wir müssen etwas tun, und zwar jetzt! Bevor es zu spät ist.«
Traumstein nickte zustimmend. Das welke Gesicht der Frau
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