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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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gerettet worden.
    Ich lehne meinen Kopf an einen Sims, um zu ruhen, und starre unverwandt in die riesige, rauchige Weite, lausche der vollkommen klaren Stille und denke an alles, was ich bin und was ich nicht bin, zurückblickend auf alles, was mich hierhergebracht hat…

2. K APITEL Die Zeit des Austragens
    Kreuzdorn kniete auf einer Weidenmatte vor dem niedergebrannten Feuer im Haus seiner Mutter. Das kleine, quadratische Haus, das letzte in der Zeile des Dorfes, war drei Mannslängen breit und tief. Getrocknetes Gemüse hing von den Dachbalken herab: Mais, Bohnen, Kürbis, ganze Sonnenblumen und die Früchte der roten, stachligen Feigenkakteen. Der aufsteigende Rauch hielt Insekten und Fäulnis fern und legte eine schwarz glänzende Kreosotschicht über die Pflanzen. Durch je hindurch konnte Kreuzdorn die Deckenbalken aus Kiefernholz erkennen. Rußwirbel hatten die grauverputzten Wände befleckt und die verblichenen Bilder, die seine Mutter vor langer Zeit gemalt hatte, überdeckt. Seitdem hing eine Sammlung von Körben davor.
    In einer Ecke standen rötlichbraun gebrannte Töpfe, die dazu bestimmt waren, besondere Besitztümer aufzubewahren. In einer anderen Ecke bewahrten drei große Töpfe mit gewellten Seiten, die Ränder mit Sandsteinplatten beschwert, die Überreste von Wintermais und Bohnen auf. Kleinere Kochtöpfe, die Seiten von vielen Feuern angesengt, standen an anderer Stelle zusammen.
    Wie vertraut und sicher schien das alles an diesem langersehnten und schrecklichen Tag. Kreuzdorns Finger zupften nervös am Saum seines knielangen Hemdes. Das weiße Wildleder wärmte seinen hageren Körper und warf die flackernden Lichter des Feuers zurück wie ein Spiegel aus Schwefelkies. Seine Mutter hatte die schwarz-gelben Bilder der Großen Krieger aus Ost und West auf den Brustteil des Hemdes gemalt, und auch die Regenbogenschlange, deren spiralige Linie aus Rot, Gelb, Blauschwarz und Weiß um seine Hüften kreiste. Im Züngellicht der Flammen glühten die Großen Krieger. Die Blitzlanzen in ihren erhobenen Händen zitterten, bereit, mit großem Getöse über das Antlitz der Welt zu fliegen, um die Bäuche der Wolkenleute aufzuschlitzen und unserer Mutter Erde lebensspendenden Regen zu bieten oder um bösartige Menschenwesen auf ewig zu vernichten. Kreuzdorn hatte vier Tage lang nichts gegessen - vier war eine heilige Zahl - und fühlte sich benommen und ängstlich. Bald, sehr bald würde sich sein Leben völlig ändern. Dann würde er nicht mehr der fremdartige Junge sein, dem die anderen Kinder aus dem Weg gingen, der einsame Junge, den die andern verspotteten. Seine Seele würde durch den dunklen Tunnel in die Erste Unterwelt eintauchen, und danach wäre er entweder ein verehrter heiliger Sänger… oder tot.
    Kreuzdorn schaute düster auf die Großen Krieger hinab. Wußten sie bereits, welche der beiden Möglichkeiten es sein würde?
    Im Zeitalter des Auftauchens, kurz nachdem die ersten Menschen durch die vier Unterwelten hochgeklettert waren, um in diese Fünfte Welt des Lichts zu gelangen, hatten die Großen Krieger von Ost und West viele Ungeheuer in die Flucht geschlagen, die gedroht hatten, die neuen Menschen zu verschlingen. In dem letzten furchtbaren Kampf waren die Körper der Krieger in Stein verwandelt worden, aber ihre Seelen hatten, dank ihres Heldenmuts, einen besonderen Platz in den Himmelswelten zugewiesen bekommen, im Strahlenglanz auf beiden Seiten von Vater Sonne. Er erzählte den Kriegern oft, was in der Welt der Menschen geschehen würde, und wenn nötig, schössen die Krieger wie Sternschnuppen zur Erde hinab und wandelten unter den Menschen, ratend und helfend. Manchmal töteten sie sogar. Kreuzdorn hatte einst einen Knaben namens Kleiner Schild gekannt, der auch, wie Kreuzdorn jetzt, von den Ältesten ausgesucht worden war, in die Unterwelten zu fahren. Er war auf schreckliche Weise zu Tode gekommen. Beim ersten Anzeichen eines Fehlschlags hatten die Ältesten den Jungen aus der Kiva, der mutterschoßähnlichen Zeremonienkammer unter der Erde, noch oben gezogen, ihn auf die Plaza gelegt und eilends nach Kräutern und Kraftbündeln gesucht, nach allem, was seine Seele wieder an den Körper binden könnte.
    Damals war Kreuzdorn sechs Jahre alt gewesen. Er erinnerte sich noch lebhaft daran, wie Kleiner Schild um sich geschlagen und geschrien hatte, als die Großen Krieger vom Himmel herabschwebten, um ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen. Es hatte einen halben Tag gedauert; die

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