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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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vom Großen Platz, eine kleine Person mit weißen Zöpfen, die unter der Krankheit der verknoteten Gelenke litt; sie hatte Hände wie verkrümmte Klauen. Sie saß zwischen Mondglanz und Singdrossel.
    Silbernes Haar hing Mondglanz lose über dem gelben Kleid, das schöne rote und schwarze geometrische Muster schmückten. Trotz des hohen Alters entging ihren scharfen Augen nichts. Sie tätschelte das Bein von Kräuterblüte und sagte leise etwas zu ihr.
    Singdrossel sah sie düster an. Seine Glatze glänzte orangefarben im Feuerschein. Ringe polierter Muschelschalen schimmerten auf seinem blauen Hemd. Er hörte nicht mehr sehr gut und hatte ständig eine gerunzelte Stirn, weil er sich so anstrengen mußte, die Leute zu verstehen.
    Nachtsonne hörte Nordlichts unverkennbare Schritte auf den Stufen; ihm folgten viele andere. Er trat ein; er trug eine frisch gewaschene weiße Robe und einen Türkis-Anhänger. Sein Haar hatte er zu einem Knoten auf dem Hinterkopf zusammengebunden. Er schaute kurz zu Eisenholz hinüber, der rechts von der Treppe stand, verbeugte sich vor den ehrenwerten Ältesten und schritt dann zu der Säule, etwa zwanzig Hände vor Eisenholz; dort drehte er sich um und verschränkte die Arme. Als nächster kam Schlangenhaupt herunter und stieß bei jedem Schritt mit einem Stock fest auf den Boden, ein hämisches Lächeln auf seinem schönen Gesicht. Der abgetrennte Kopf eines Jungen war auf einem Pfahl aufgespießt worden. Bei diesem Anblick wurde es Nachtsonne ganz übel. Die Augen des Jungen waren ausgetrocknet und tief eingesunken, sein Mund stand offen, der Kiefer etwas verdreht. Aber Gesicht und Haare waren gewaschen worden und glänzten im Feuerschein. Schlangenhaupt schritt vor den Ältesten auf und ab, bevor er sich neben die nordwestliche Säule stellte, der Eisenholz am nächsten stand. Die Kupferglöckchen auf dem schwarzen Hemd klingelten, als er die Beine spreizte. Sein schwarzer Zopf hing ihm über die linke Schulter.
    Düne stapfte schwerfällig herab, bei jedem Schritt ächzend. Als er auf den festgestampften Boden trat, packte er Eisenholz' Arm, um sich festzuhalten, und schaute umher. Die buschigen weißen Brauen hingen ihm über die runde Nase.
    Nachtsonne lächelte. All diese heiligen Leute hatten sich fein gemacht, ihre schönsten Gewänder angezogen und den kostbarsten Schmuck angelegt. Aber Düne trug dasselbe zerrissene braune Hemd, das er schon viele Sommer lang getragen hatte. Das war typisch für den alten Einsiedler; so drückte er seine Meinung über dieses schäbige Verfahren aus, ohne ein Wort zu sagen.
    Dünes schütteres weißes Haar schimmerte. Er schaute zu Nachtsonne, humpelte dann zu Singdrossel und setzte sich neben ihn. Singdrossel beugte sich vor und sagte etwas, und als Düne antwortete, bewegten sich Singdrossels Lippen, der sich bemühte, den Wörtern zu folgen.
    Nachtsonne wartete keine Anweisungen ab. Sie überquerte den Raum und ging zu der Leiche, die unter einer türkisbesetzten Decke auf der östlichen Fußtrommel aufgebahrt war.
    »Mutter!« brach es aus Schlangenhaupt heraus. »Ich habe dir nicht erlaubt, meine tote Schwester zu betrachten!«
    »Ich habe nicht nach deiner Erlaubnis gefragt.«
    Nachtsonne zog vorsichtig die Decke zurück, um Wolkenspiel anzusehen. Ihr bleiches Gesicht war mit Öl eingerieben worden und glänzte im Feuerschein. Jemand, vermutlich Nordlicht, hatte ihr das Haar sorgfältig geflochten und auf dem Scheitel festgesteckt. Die Kehle war Nachtsonne vor lauter Tränen wie zugeschnürt. Mit bebender Hand berührte sie die kalte Wange ihrer Tochter. »O mein Kind«, flüsterte sie. »Du fehlst mir so sehr!«
    »Mutter-«, setzte Schlangenhaupt an.
    »Warte«, unterbrach ihn Nordlicht. »Laß ihr etwas Zeit.« Sein Türkis-Anhänger hob sich leuchtend von seinem weißen Hemd ab.
    Die Ältesten flüsterten untereinander.
    Nachtsonne küßte Wolkenspiel zärtlich auf die Stirn und zog die Decke wieder über sie. Laß sie nur nicht deine Trauer oder deine Angst sehen.
    Nachtsonne dreht sich um und schritt quer durch den Raum, um jeden der Ältesten zu begrüßen, und die Fältchen um ihre Augen vertieften sich, als sie lächelte. »Hallo, Mondglanz. Es ist schön, dich zu sehen.«
    »Ich hatte schon Angst, du wärst in dem Käfig da verdorrt«, sagte Mondglanz teilnahmsvoll. »Ich bin froh, dich so munter zu sehen.«
    Nachtsonne streckte die Hand aus, um die große heilige Frau vom Mittelplatz zu begrüßen. »Kräuterblüte, du siehst

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