Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken
mit wedelnden Armen aus dem Wald gerannt und rief: »Bitte, bewahrt alle die Ruhe! Ihr seid in Sicherheit! Euch wird nichts geschehen!«
Die Krieger des Klans der Schweigenden Krähe sammelten die Waffen ein und durchsuchten die Männer des Wanderer-Klans.
Da erhob sich plötzlich Möwe aus dem Kreis der Befreiten. Tränen schimmerten in seinen Augen. Er sah Gefleckter Frosch an und fragte ihn: »Woher kommst du? Wir dachten, wir müssten sterben.« Gefleckter Frosch lächelte und kam in seinem Watschelgang näher. »Wir kommen aus dem Dorf der Schweigenden Krähe, mein Freund. Als wir die Feuer hier sahen, befürchteten wir das Schlimmste. Über eine halbe Hand Zeit haben wir brennende Pfeile abgeschossen, um euch darauf vorzubereiten, dass Hilfe naht. Habt ihr sie denn nicht gesehen?«
Möwe senkte den Kopf, um seine Tränen zu verbergen, die ihm jetzt in Strömen über die Wangen flössen. »Doch.« Er nickte. »Aber in diesem dichten Nebel konnten wir nicht erkennen, was es war. Aber…ja. Ich danke euch. Wir verdanken euch unser Leben.«
Mit einer lässigen Handbewegung tat Gefleckter Frosch die Dankesbezeugungen ab und richtete den Blick auf Polterer und Kleiner Zaunkönig, die auf dem Boden hockten und sich schluchzend in den Armen hielten. »Sind das die beiden Heldenkinder?«
Möwe drehte sich um. Die Falten auf seiner Stirn traten jetzt deutlicher hervor. »Der Junge ist das Falschgesicht-Kind aus dem Buntfelsendorf. Das Mädchen stammt aus dem Wandererdorf. Wir kennen sie nicht, wissen aber, dass sie Kleiner Zaunkönig heißt.«
Ehrfurcht breitete sich auf Gefleckter Froschs dickem Gesicht aus, als er schnaufend auf die beiden Kinder zuwatschelte.
»Komm, lass uns zu ihnen gehen«, sagte Sperling zu Aschenmond.
Langsam schritten sie über den Dorfplatz. Maishülse gesellte sich zu ihnen; groß und schlaksig und immer noch in dem Büffelmantel, der jetzt noch räudiger aussah als bei ihrer letzten Begegnung. Die silbernen Strähnen in seinem schwarzen Haar glänzten. Er grinste und entblößte dabei ohne Scham seine Zahnlücken. »Na, was sagt ihr?«, meinte er stolz. »Ich habe euch wieder mal das Leben gerettet!«
»Ach, tatsächlich?« Aschenmond hob skeptisch eine Braue. »Müssen wir dir dafür danken?« »Nun ja«, meinte Maishülse mit gespielter Bescheidenheit. »Ich habe Gefleckter Frosch und seinen Dorfbewohnern diese tragische Geschichte erzählt, doch sie waren es, die ganz spontan beschlossen, eine Kriegerschar auszusenden, um euch zu helfen. Ich habe sie allerdings hierher geführt!« »Dann stehen wir tief in deiner Schuld, Maishülse«, erklärte Aschenmond. »Danke.« Der Händler verbeugte sich und grinste. Kurz bevor sie die Kinder erreichten, kam ein Mann aus dem Wald gehumpelt, der sich auf einen langen Stock stützte. Seine Haartracht war die des Dornbuschklans: entlang der Schädelmitte trug er einen borstigen Haarkamm, die beiden Seiten waren kahl rasiert. Aus einer Wunde an seinem linken Bein sickerte frisches Blut.
»Nicht schießen!«, rief er. »Ich bin unbewaffnet!« Gefleckter Frosch gab zweien seiner Krieger ein Zeichen. »Führt diesen Krieger zu den anderen Gefangenen.« Die beiden jungen Männer traten mit gespannten Bögen vor, die sie auf die Brust des verletzten Kriegers richteten, und bedeuteten ihm, sich auf den Dorfplatz zu begeben.
Mühsam schwang er sein verwundetes Bein nach vorn, dann den Stock, den er als Krücke verwendete. Als sein Blick auf den Leichnam von Springender Dachs fiel und auf Elchgeweih, die neben ihm auf dem Rücken lag, presste er die Zähne aufeinander, stieß ein heiseres Knurren aus und versetzte seinem Kriegsführer mit aller Kraft, die er noch aufzubringen vermochte, einen Fußtritt.
Andere Wandererkrieger, die die Szene beobachtet hatten, kamen hinzu, begleitet von den Wachen des Krähendorfes. Sie bildeten einen Kreis um den Leichnam von Springender Dachs, traten auf ihn ein und bespuckten ihn fluchend.
Der Anblick ließ Sperling das Mark in den Knochen gefrieren.
Aschenmond zog ihn weiter zu den Kindern. Sie erreichten sie gerade noch rechtzeitig, um mitzuverfolgen, wie Gefleckter Frosch sich vor die beiden hinkniete.
Mit freundlicher Stimme sagte das Klanoberhaupt: »Geht es euch beiden soweit gut? Braucht ihr etwas zu essen oder zu trinken?«
Polterer rieb sich mit den Händen die tränennassen Augen und musterte den dicken Mann eine geraume Weile. Dann murmelte er: »Bist du der Mann mit dem silbernen Amulett, das einen
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