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Vox

Vox

Titel: Vox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baker
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ansteckend. Und er sah gut aus. Ungefähr vier Monate, solange ich diese Schwäche für ihn hatte, hörte ich mir das Zeug auch wirklich an. Ich hab mich ihm völlig hingegeben. Mein eigener Musikgeschmack hatte seine Entwicklung in der Grundschule mit den Beatles eingestellt, den ganz frühen Beatles – überhaupt fand ich keinen Song gut, der keinen Schluß hatte – weißt du, keinen Schlußakkord –, sondern einfach so ausgeblendet wurde.»
    «Aber dann hast du diesen Typen getroffen», sagte er.
    «Genau!» sagte sie. «Alle Songs, die er gut fand, wurden ausgeblendet, die meisten jedenfalls. Und so wurde ich zur Spezialistin in Sachen Ausblendung. Ich kaufte Kassetten. Ich stellte sie immer ganz laut – mit Kopfhörer – und hörte ganz genau hin, versuchte, den exakten Moment zu erwischen, an dem der Mensch im Aufnahmestudio begonnen hatte, meinen Lautstärkeregler runterzudrehen oder was immer er da machte. Manchmal drehte ich den Regler mit genau der gleichen Geschwindigkeit hoch, mit der er – ich meine die Geisterhand des Plattenproduzenten – ihn herunterdrehte, so daß der Ton gleichlaut blieb. Dann geriet ich in so eine Trance wie du auf dem Teppich, wo ich dann dachte, wenn ich es immer lauter stelle – und es ist wirklich ein sehr kräftiger Verstärker –, dann würde der Song nie aufhören, er würde einfach unendlich weitergehen. Und so wurde das, was ich zuvor einfach für eine Art künstlerische Schlampigkeit gehalten hatte, für einen Versuch anzudeuten: o yeah, wir sind ein Haufen endlos kreativer Jungs, die die ganze Nacht durchjammen, und der böse blöde Plattenproduzent muß dann eben doch die Lautstärke runterdrehen, damit wir nicht die ganze Platte mit einem einzigen Monstersong füllen – all das wurde für mich statt dessen zu einer Art, einer Art Summe der Hoffnung. Das erste Mal hatte ich dieses Gefühl bei einem Song namens ‹Ain’t Nobody›, auf den der Mann, in den ich verknallt war, besonders stand. ‹ Ain’t nobody, loves me better.› Kennst du den?»
    «Du singst gut!» sagte er.
    «Gar nicht. Aber so geht der Song, und wenn du dann allmählich an sein Ende kommst, verändert sich deine Hörweise, das heißt, das Wissen darum, daß der Song bald aufhört, gewinnt langsam eine größere Bedeutung als die spezifischen Höhen und Tiefen der Melodie, und obwohl die Sängerin genauso laut singt wie vorher, obwohl sie jetzt sogar alles reinlegt, kämpft sie schon um Gehör, es ist, als hörte man den unausweichlichen Beliebtheitsschwund, das Abrutschen in den Charts und die Karrieredämmerung der Sängerin, trotz der ganzen subtilen Schönheit, die sie aus einem simplen öden Haufen Noten rausholen kann, und noch während sie sich eine letzte hohe Note vornimmt, voller Wagemut, Hoffnung, Leidenschaft und allem, was dieser Mühe wert ist, ist sie verloren, ist ihr Stern schon am Sinken.»
    «Oh! Bitte nicht weinen», sagte er. «Dafür bin ich nicht gerüstet… ich meine, so eine Bandbreite hat mein Trostvermögen nicht.»
    Wieder war da das Geräusch von Eiswürfeln. Sie sagte: «Ich mochte ihn eben einfach gern. Eitler Sack. Eines Abends gingen wir tanzen, und ich beging den Fehler, ihm vorzuschlagen, während wir auf der Tanzfläche waren, er möchte vielleicht doch seinen Füller aus der Hemdtasche nehmen und ihn hinten in eine Tasche stecken. Und das war’s, er hat mich nie mehr angerufen.»
    «Dieser kleine Schaumschläger! Gib mir seine Adresse, den werde ich mal ausblenden, dem reiße ich die Arme aus.»
    «Nein. Ich hab’s überwunden. Und überhaupt wollte ich darüber auch gar nicht reden. Ich meine bloß, ich saß hier nach dem Abendessen in meiner wunderbar ordentlichen Wohnung, und ich sah diesen großen Witz von einer Anlage, und ich schaltete sie an, und der Himmel wurde dunkler, und die ganzen roten und grünen Lichtchen auf dem Receiver waren wie Bojen im Meer oder so was, und allmählich kriegte ich so ein Gefühl, wie es ja zu erwarten steht, traurig, glücklich, resigniert, geil, eine Kombination aus allem, und plötzlich fand ich, daß ich jetzt lang genug tugendhaft gewesen war und eigentlich doch masturbieren sollte, und ich dachte, halt, Abby, nicht bloß so eine kurzatmige Masturbationssession, heute machen wir ein bißchen was Besonderes, um einen besonderen Tag zu krönen, ja? Also holte ich mir das Forum, das ich mir vor einiger Zeit mal in einem Anfall von Mut gekauft hatte. Aber die ganzen Geschichten und die ganzen Briefe hatte ich

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