Vox
morgens. Am Wochenende zieh ich sie immer an, geh damit runter an die Ecke und kauf die Zeitung, und das Gefühl dieses Riemens da im Schritt der Zehen – Mann, das bringt dich hoch, da fängt der Tag gleich richtig an. Das ist, als würdest du den Füßen Zaumzeug anlegen.»
«‹Stehst› du auf Füße?»
«Nein nein nein nein nein nein. Bei Frauen? Nein. Füße sind neutral. Ungefähr so wie Ellbogen. Was mich betrifft, ich…»
«Was?»
«Also, ganz oft, kurz bevor ich komme, richte ich mich gern so auf den Fußballen auf. Das hat was mit der Anspannung der Beinmuskulatur und der, äh, der Arschmuskeln zu tun, es läßt alle Nerven zusammenspielen, es ist, als käme ich mit den Beinen. Andererseits fühle ich mich dabei manchmal wie ein High-School-Lehrer, der auf den Hacken wippt, oder wie ein Demagoge, der sich auf die Zehen stellt und etwas über die Vorsehung hinausbrüllt.»
«Und dann, wenn du mit deinem relevé ganz oben bist, kommst du in ein Papiertuch», sagte sie.
«Genau.»
«Was wir nicht alles für die Liebe tun. Ich kannte mal jemand, einen Arzt, der erzählte mir, daß er beim Masturbieren gern hyperventiliert, wie ein Hundebaby. Er ging das Ganze sehr wissenschaftlich an. Er meinte, das Hyperventilieren reduziert das ionisierte Kalzium im Blut, ändert die Nervenleitfähigkeit, macht dieses, tut jenes. Einmal hab ich’s ausprobiert. Er meinte, wenn du fast soweit bist, nachdem du gehechelt und gehechelt hast, hi-a-hi-a-hi-a, dann mußt du was namens Valsalva machen, wobei du die Luft tief einziehst und die Kehle zupreßt und fest drückst, und wenn du es richtig machst, dann sollst du einen wahnsinnigen Orgasmus kriegen – kribbelnde Glieder, kribbelnde Haarwurzeln, kribbelnde Zähne, ich weiß auch nicht, halt die ganze Palette. Bei mir ist mit dieser Technik nicht viel rausgekommen, aber er war so ein Riese, wilder Riesenbart, Riesenarme, er aß mit Vorliebe große Fleischkloß-Croques, die mit dieser orangefarbenen Schmiere – und er war so groß und so unschuldig und eigentlich ziemlich schüchtern, so daß die Vorstellung, wie er da japst –»
«Mit zugekniffenen Augen.»
«Genau, über sein Geschlechtsteil gekauert, obwohl ich sagen muß, daß ich mir sein Geschlechtsteil nie so richtig vorstellen konnte, aber allein die Vorstellung, wie er da absichtlich, freiwillig vor sich hin japst und schluckt, hat genügt, um mir selbst zu dem einen oder anderen Augenblick der Lust zu verhelfen.»
«Ooo. Da auf deinem Bett?»
«Da auf meinem Bett.»
«Aber ohne die Chenille-Tagesdecke.»
«Ohne die Chenille-Tagesdecke, die, wie ich gerade sehe, kleine weiße Fusseln auf meiner Hose hinterläßt, hm, hm, hm, weg da, ihr. Siehst du, eine pompöse Seidensexydecke von Deliques wäre eben doch praktischer gewesen.»
«Also, na gut, nein, ich sehe ja ein, daß die Sachen von Deliques sexy sein können», sagte er. «Strapse und so. Mir bringt das zwar nicht viel – das ganze viktorianische Gehabe mit diesem abartig verkniffenen Grienen stößt mich einfach ab –, aber ich muß doch zugeben, als dann Woche für Woche die Kataloge kamen, Frühherbst, Herbst, Spätherbst, dieser anhaltende Schwall halbnackter Frauen, der mir aus der Post entgegenquoll, auf so teurem Papier, mit den Kußmäulchen und so, das hat mich dann doch interessiert.»
«Aha, jetzt gibst du’s also zu», sagte sie. «Die männlichen Modells sehen aber auch ganz gut aus.»
«Na ja, bei mir waren es aber nicht diese Winzigwinzigmieder und solche Geschichten. Ich sag dir, was es war. Es war dieses eine Bild von einer Frau in einem weiten grünen Hemd, sie lag auf dem Rücken, die Beine in der Luft, an den Knöcheln gekreuzt, und sie trug Tights. Keine schwarzen Tights. Ich war, ich war völlig hingerissen von diesem Bild. Ich weiß noch, wie ich von der Arbeit nach Hause kam und am Küchentisch saß und ungefähr… zehn Minuten lang dieses Bild betrachtete, die kleine Beschreibung der Tights las, wieder das Bild anschaute, las, schaute. Sie hatte sehr lange Beine. Hatte ich denn jemand, dem ich diese Tights kaufen konnte? Nein, eigentlich nicht. Zu der Zeit nicht. Sie hatten so eine bestimmte Webart, nicht Chenille, nicht Chenille. Pointelle! Sie trug diese beige-grünen Pointelle-Tights. Weißt du, für mich ist das Wort ‹Tights› viel erregender als bloß Strumpfhose. Jedenfalls ging ich ins Wohnzimmer und stellte das Telefon auf den Boden, und dann legte ich mich neben das Telefon auf den Boden und betrachtete
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