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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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völlig
revidieren.
    Boyd
dagegen war völlig anders. Boyd war durch und durch ein Vertreter des 20.
Jahrhunderts: ein Angeber, Frauenheld und Rüpel. Boyds Sprache war derb, und er
konnte auch mit den Fäusten umgehen. Männer mochten Boyd, genau wie die
Frauen. Aus Affektiertheit trug er Gamaschen und glaubte, sie wären ein
Ausdruck von Originalität. Vergessen Sie Boyd. Ich habe nur ein einziges Mal
mit ihm gesprochen, und selbst da wusste er nichts Interessantes zu sagen.
    Aber was
rede ich von Boyd. Wir waren gerade bei dem Jungen, bei Anders, der sein Ohr
an die Schlafzimmertür gedrückt hielt und sich alle Mühe gab, etwas zu verstehen.
Wobei er sich, zweifellos auf Deutsch, fragte: Was zum Teufel ist ein mit-tschit?
    Wie immer
die Antwort darauf lauten mochte, der Mann im Koffer war tot, und er war ein
Russe. Der Tod machte dem Jungen nichts. Den kannte er zur Genüge. Mehr als einmal
schon hatte er etwas aus dem steifen Griff einer Leiche gestohlen. Es störte
ihn ebenso wenig, dass es ein Russe war. Warum sollte ihn das stören? Ein Toter
war so gut wie der andere, und er verstand auch, warum ihn dieser Boyd nicht
im Schnee hatte liegen lassen. Der mit-tschit war ein
wichtiger Mann gewesen, auf die eine oder andere Weise, und es war nicht klug,
jemand Wichtiges zu töten, nicht einmal in Berlin. Der Junge und die Bande, mit
der er herumzog, kannten die Regeln der Stadt. Man beraubte den, der so aussah,
als gebe es bei ihm was zu holen, mied aber alle, die zu viel zu haben
schienen. Russen, Tommys, Amis, die ließ man besser in Ruhe. Man hielt sich an
die Deutschen, die den Krieg mit einer Tasche Gold unter dem Kissen überstanden
hatten, aber zu dumm oder zu kompromittiert waren, um irgendeinen Schutz zu
genießen. Das alles hatte der Junge gelernt, und er hatte es gut gelernt. Man
brach die Regeln nicht ungestraft.
    Was
bedeutete, dass dieser Boyd einen Fehler gemacht hatte, und jetzt brach ihm der
Angstschweiß aus, obwohl das Thermometer bei minus zehn Grad stand. Der Junge
hatte ihn schon in seinem Auto herumfahren und Schwarzmarktgeschäfte machen
sehen. Boyd war ein »Hurenmann«, ein Zuhälter. Das englische Wort dafür kannte
Anders nicht.
    Das
Gespräch ging weiter. Anders lauschte, das Ohr am Schlüsselloch. Er hielt den
Atem an, um die Stimmen nicht zu übertönen.
    »Was
willst du tun?«, fragte Pavel. Er klang ruhig, gefasst, nur seine Zähne
klapperten. Der Junge spürte Stolz in sich aufwallen. Pavel war nicht wie der
fette Amerikaner. Er hatte Rückgrat, trotz seiner Krankheit.
    »Wie zum
Teufel soll ich das wissen? Wenn es nicht so verdammt kalt wäre, würde ich zum
Fluss fahren und den kleinen Mistkerl versenken.«
    »Du könntest ihn irgendwo in den
Wald schaffen.«
    »Zu viele Patrouillen. Im Übrigen
...«
    »Im Übrigen?«
    »Könnte er sich noch als nützlich
erweisen, der Zwerg.«
    »Hatte er Papiere bei sich?«
    »Nichts.
Keine Brieftasche, keine Aktenmappe, nicht mal einen verfluchten Ehering.«
    »Also gut,
Boyd. Aber ich will ihn nicht hier in meinem Schlafzimmer. Tragen wir ihn nach
nebenan. Der Junge wird dir helfen.«
    Er rief
ihn herein, aber der Junge hatte schon die Tür geöffnet. Mit großem Theater
half er dem Mann, den Koffer hochzuheben, überließ ihm dabei jedoch das ganze
Gewicht. Sie bugsierten das Ding in das zweite Zimmer und lehnten es an die
Wand neben dem Fenster. Der Koffer war überraschend klein, kleiner als Anders,
der seine eigene Größe damit verglich.
    Ein mit-tschit,
dachte Anders, muss so was sein wie ein Zwerg.
    Als er
zurück in das vordere Zimmer kam, war Pavel bereits wieder auf den Knien und
versuchte zu pinkeln. Boyd schien das nichts auszumachen. Er trat neben ihn und
zog leicht die Brauen zusammen, als er das Blut sah. Endlich war Pavel fertig
und richtete sich wieder auf. Es folgte ein langes Schweigen. Der Junge hielt
sich von den beiden fern und versuchte, aus ihnen schlau zu werden. Es war so
kalt im Zimmer, dass er jeden seiner Atemzüge zählen konnte.
    »Du bist
also beschnitten«, sagte Boyd bei zwanzig. »Bist ein verdammter Itzig oder so
was?«
    Pavel
lächelte, und Boyd lächelte zurück. Der Junge verstand den Witz nicht.
    »Er braucht Penizillin«, sagte er.
Es waren die ersten Worte, die er an den Mann richtete, bereit, sich
wegzuducken, falls der versuchen sollte, ihn zu schlagen. »Ach ja? Wer sagt
das, Winzling?«
    Sie sahen
sich an wie zwei Revolverhelden in einem Cowboyfilm. Der Junge kannte sich mit
Cowboyfilmen aus. Er

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