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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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Belieben steuern konnte. Es war ein synthetisch gezüchtetes Bioplasmagebilde, naturgetreu den Grundformen jener Venusier nachgestaltet, die sich in Menschengestalt auf unsere Erde geschlichen hatten: eine Panzerschale von der Form eines umgestülpten tiefen Tellers und 1,3 Meter Durchmesser, elastischer Unterseite, vier kurzen Schuppenbeinen, die in tellergroßen Pranken ausliefen, einem Schuppenkopf von der Größe zweier Männerfäuste auf beweglichem, einziehbarem Hals und einem organischen »Kraftwerk«, in dem Energie durch die Chemosynthese von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt wurde, wobei als Endprodukt Wasser abfiel. Die elektrische Energie diente wiederum zur Wärmeregulierung über eine organische »Klimaanlage«. Die beiden Grundstoffe Wasserstoff und Sauerstoff gewann mein venusischer Organismus in reiner Form aus den Gasblasen von Hydrogenium- und Oxygeniumpflanzen, während die Ernährung durch eine Reihe atmosphärischer Kohlenwasserstoffverbindungen erfolgte, die von sogenannten Strudelfallen auf dem Rückenpanzer aufgenommen wurden.
    Hier auf der Venus und bei den gegenwärtigen Umweltbedingungen stellte mein »geliehener« Körper das Maximum an Anpassung dar, weshalb ich annehmen durfte, daß nicht nur ich, sondern auch die anderen Venusier seine gegenwärtige Organisationsform beibehielten. Eine Änderung in der Zusammensetzung der atmosphärischen Kohlenwasserstoffe, eine Mutation der Hydrogenium- und Oxygeniumpflanzen oder ähnliche tiefgreifende Entwicklungen konnten mich jedoch schon morgen oder übermorgen zwingen, meinen Organismus umzugestalten.
    Die Kosmobiologen hatten mir versichert, ich wäre in der Lage, nahezu alle Veränderungen so zu vollziehen wie die echten Venusier. Doch solange die Praxis keinen Beweis dafür erbracht hatte, blieb ich skeptisch. Mein Geist beherrschte zwar das biosynthetische Venusiergehirn, aber er wußte nicht, ob das gleichzusetzen war mit der Beherrschung jener ungeklärten Vorgänge, die aus einem Monstrum ein menschenähnliches Wesen machen konnten. Deshalb hielt ich es für klüger, mich mit der Suche nach der MOBY-DICK-Plattform zu beeilen, solange ich noch in der Lage dazu war.
    Ich kroch über den Sand. Meine immerwährende Bewegung bereitete mir kaum Schwierigkeiten, denn mein flacher Körper lag auf dem Boden wie ein Floß auf der Oberfläche eines kleinen Sees. Mit den breiten Pranken ruderte ich, der kurze, plattgedrückte Schwanz übernahm die Funktion eines Ruderblattes. Die organischen „Radargeräte“ vermittelten mir ein naturgetreues Bild der Umgebung, wenn sich mein auf irdische Eindrücke und menschliche Sinnesorgane eingestellter Geist auch manchmal äußerst schwer zurechtfand.
    Aber ich hatte nicht umsonst zehn Tage lang auf der Erde geübt.
    So ganz nebenbei schnappte ich nach der Gasblase einer Oxygeniumpflanze. Nur gut, daß es genügend von diesen gaserzeugenden Pflanzen gab, sonst wäre ich vermutlich längst in der Hitze gebraten worden, denn auch der venusische Organismus war auf der Grundlage der Eiweißkörper, der Polynukleotide und der Fermente entstanden, wie es auf einem Planeten mit einer Kohlenwasserstoffatmosphäre kaum anders zu erwarten gewesen war. Nur mußte die Evolution im Vergleich zur Erde viel schneller vorangeschritten sein, und eine der Ursachen dafür bestand in der vollendeten Anpassung an rasch wechselnde Verhältnisse, wie sie nur von Organismen vollzogen werden konnten, die in der Lage waren, ihre molekulare Struktur planmäßig zu verändern.
    Meine linke Tatzenhand stieß gegen ein ungewohntes Hindernis. Unwillkürlich zuckte ich zurück. Aber als kein Angriff erfolgte, schleuderte ich das schlaffe, grausilberne Gebilde mit einem schnellen Tatzenhieb vollends aus dem Sand. Dicht vor meinem Kopf blieb es liegen.
    Die warzenförmigen »Radarantennen« über meinem Maul vermittelten ein scharfes Bild, indem sie den störenden Staub ausfilterten.
    Fassungslos starrte ich auf die Überreste eines Handschuhs, wie er zur Ausrüstung eines terranischen Raumfahrers gehörte – und zur Ausrüstung aller Leute von der Station MOBY DICK …
     
    *
     
    Der Handschuh war aufgeplatzt. Das allein schon genügte für die Schlußfolgerung, daß der Besitzer durch Einwirkung äußerer Gewalt umgekommen war.
    Metapolyestrin gehörte zu den wenigen Materialien, die eine nahezu unbegrenzte Haltbarkeit und Festigkeit mit gummiartiger Elastizität in sich vereinigten. Aus Metapolyestrin wurden Raumanzüge hergestellt –

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