Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
Vom Netzwerk:
der Erde von Devon hätte vernehmen können. Heute heiratet mein Sohn Jack. Und im Standesamt von Newport hatte er ihre Gegenwart   – eine Berührung, eine geflüsterte Zustimmung   – nicht gespürt.
    Und jetzt, sieh selbst, das Gewehr auf dem Ehebett.
    Und was hätte sie davon gehalten, wenn sie ihn und Ellie gesehen hätte, wie sie jeden Winter für drei Wochen, manchmal für einen ganzen Monat, weggeflogenwaren und sich unter Kokospalmen gesonnt und Drinks, in denen Papierschirmchen steckten, getrunken hatten? Und das, wo sie hier auch am Meer waren, nah am Strand. Aber Ellie fand, dass sie das tun sollten, sie konnten es sich leisten und sollten es tun, warum sollten
sie
nicht auch Ferien machen? Und nach ein bisschen Überredung war er einverstanden gewesen. Eigentlich keine schlechte Idee. Besonders aus der Warte der Wohnwagen-Feriengäste   – den »Lookout-Gästen«: Wir kriegen eine Woche Isle of Wight, ihr kriegt einen Monat in der Karibik. Nicht schlecht, Jack, für einen Farmer, der seine Arbeit verloren hat.
    Das gehörte zum normalen Geplänkel, war nicht böse gemeint, aber er musste sich erst darauf einstellen. Niemand wurde über den Tisch gezogen, niemand übervorteilt. Für das Wetter konnte er nichts (das war auch auf der Jebb Farm so). Hier kann man genauso gut Ferien machen wie da, sagte er, und er sagte es so, dass er merkte, die Feriengäste glaubten ihm, glaubten, dass er davon   – warum auch immer   – überzeugt war. Er war mit seinen neuen Aufgaben gewachsen, er plauderte mit den Wohnwagen-Gästen und sorgte dafür, dass sie sich wohl und umsorgt fühlten. Er war überrascht über seine Begabung dafür.
    Seit einiger Zeit machte er also Ferien in der Karibik. Na und? Früher war er das ganze Jahr über an eine Herde Friesenkühe gekettet gewesen.
    Allerdings musste er zugeben, dass er nach ein paar Tagen, an denen er sich unter Palmen gesonnt und Drinks getrunken und Ellie zugelächelt und sie mit Sonnencreme eingerieben hatte, leicht besorgt an die Wohnwagenzu denken begann. Ob da alles in Ordnung war? Ob sie den Winterstürmen standhielten? Ob die Sicherheitsfirma   – Dawsons   – wirklich etwas taugte und jemand tatsächlich auf dem Platz nach dem Rechten sah, während er hier lag, an einem Ort, an dem zu sein er sich früher nicht einmal hätte träumen lassen? Und dann dachte er   – weil das der Gedanke war, den er eigentlich immerzu verscheuchen musste, so wie diese großen tropischen hornissenartigen Dinger, die plötzlich und unversehens auf einen zustürzten: Was würde seine Mutter denken?
    Nun, Jack, mein großer Junge, da kommt Brigwell Bay nicht mit. Das würde sie denken. Und den Melkstall ausspritzen ist auch was anderes.
    Und dann dachte er an Tom.
     
    »Farmer Jack«. Er hatte nie verstanden, wie das bekannt geworden war. Farmer Jack, der seine Wohnwagen melkt. Hier kommt der Farmer Jack in einem von diesen Hemden, die er in Barbados gekauft hat. Eins, bei dem einem von den Farben die Augen wehtun. Was hätten
sie
, seine Feriengäste, gedacht, wenn sie ihn damals in seinem verschossenen blauen Arbeitsanzug und mit Gummistiefeln im Melkstall hätten sehen können? Wo sein Vater ihn anbrüllte. Und was würde seine Mum denken, wenn sie ihn in einem von diesen Hemden sehen könnte?
    Aber das war jetzt nicht wichtig. Auch Lookout Park, früher The Sands genannt, war nicht wichtig, noch die Winterferien in der Karibik. Was hätte seine Mum gedacht, wenn sie hätte sehen können, wie es mit der Jebb Farm bergab ging? Wenn sie die Farm jetzt sehen könnte, weit und breit kein Luxton, das ganze Land in andererHand, und das Wohnhaus kein Bauernhaus mehr. Ein Landsitz, ein »Ferienhaus« (diesen Begriff hatte Ellie selbst benutzt) für Leute, die schon ein Zuhause hatten. Was hätte sie gedacht, wenn sie all diese Dinge hätte sehen können, die eigentlich undenkbar waren? (Oder hatte sie es trotzdem mitbekommen?) Wenn sie Tom hätte sehen können, den kleinen Tom, inzwischen auch er groß und erwachsen, der an einem kalten Dezemberabend einfach auf und davon war?
    Aber Tom ist jetzt bei ihr, dachte Jack, er könnte kaum näher bei ihr sein. Er war auf dem direkten Weg zu ihr, als er an dem Abend aufbrach, ohne es zu wissen.
    Und was hätte sie beim Anblick all der brennenden Rinder gedacht?
    Die verschiedenen Generationen, die hinter und vor einem liegen. So war es seit Jahrhunderten gewesen. Das erste Haus war 1614 von einem Luxton auf dem Jebb Hill erbaut

Weitere Kostenlose Bücher