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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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ist in den Docklands«, sagte er. »Paul Dove hat um Unterstützung gebeten. «
    »Wieso?«
    »Ist überfordert. Ich fliege später nach Auckland, könnte aber vorher hinfahren.«
    »Nein«, sagte Villani. »Dieses Kreuz nehme ich auf mich.«

E r ging durch den Flur in das Schlafzimmer, ein Bett groß genug für vier Schläfer, Matratze und Kissen nackt, nicht bezogen. Die Forensik war hier fertig. Er hob ein Kissen mit den Fingerspitzen hoch, roch daran.
    Kaum merklicher Parfümduft. Er sog den Duft tiefer ein. Das zweite Kissen. Ein anderes Parfüm, etwas intensiver.
    Er ging durch das leere Ankleidezimmer ins Bad, sah die gläserne Badewanne, neben der ein Bronzearm aus dem Boden aufragte, dessen Hand ein Stück Seife hielt.
    Sie lag auf dem Plastiksack in einer Art Yoga-Ruhestellung – Beine leicht gespreizt, Handflächen nach oben, hellrote Zehennägel, lange Beine, schütteres Schamhaar. Die Schulter einer knienden Kriminaltechnikerin aus der Forensik verdeckte Villani die Sicht. Er trat einen Schritt beiseite, sah das Gesicht der Toten und wich zurück. Einen schrecklichen Augenblick lang, in dem ihm das Herz bis zum Hals schlug, dachte er, es sei Lizzie, so groß war die Ähnlichkeit.
    Er drehte sich zu der Glaswand um, atmete aus, sein Herzschlag beruhigte sich. Vor ihm lag die triste graue Bucht, und zwischen den Köpfen tauchte ein Stecknadelkopf auf, ein Containerschiff. Nach und nach zeigte es seinen massigen Rumpf, eine riesige, schlingernde, flache, stählerne Nacktschnecke, die Rost, Öl und stinkende Abwasser ausblutete.
    »Alarmknopf«, sagte Dove. Er trug einen marineblauen Anzug, ein weißes Hemd und einen dunklen Schlips, ein Neurochirurg auf Visite.

    Villani sah hin: Gummi, mit Grübchen wie ein Golfball, zwischen Dusche und Kopfende der Wanne in die Wand eingelassen.
    »Schicke Dusche«, sagte Dove.
    Über einem perforierten metallenen Rechteck hing eine Scheibe aus rostfreiem Edelstahl. Auf einem gläsernen Regalbrett lagen ein Dutzend oder mehr Seifenstücke wie zum Verkauf.
    Die Technikerin sagte: »Genickbruch. Die Wanne ist leer, aber die Frau ist feucht.«
    Sie war neu, Kanadierin, eine burschikose junge Frau, ungeschminkt, sonnengebräunt, Bürstenhaarschnitt.
    »Wie bricht man sich im Bad das Genick?«, fragte Villani.
    »Das schafft man allein kaum. Ein Genick zu brechen ist nicht leicht.«
    »Echt?«
    Sie hörte seinen Unterton nicht. »Aber ja. Da muss man Kraft aufwenden.«
    »Was noch?«, fragte Villani.
    »Nichts, was mir spontan auffällt.«
    »Todeszeitpunkt? Begründete Schätzung.«
    »Keine vierundzwanzig Stunden, oder ich muss zurück auf die Uni.«
    »Die freuen sich bestimmt, Sie wiederzusehen. Haben Sie die Wassertemperatur berücksichtigt?«
    »Was?«
    Villani streckte den Zeigefinger aus. Der kleine digitale Touchscreen an der Tür stand auf achtundvierzig Grad.
    »Hab ich nicht gesehen«, gab sie zu. »Hätte ich aber noch. Zu gegebener Zeit.«
    »Zweifellos.«
    Ein leichtes Lächeln. »In Ordnung, Lance«, sagte sie. »Mach den Reißverschluss zu.«
    Lance war ein hagerer Mann mit Kinnbart. Er versuchte,
den Reißverschluss des Leichensacks zu schließen, der unterhalb der Brüste klemmte. Lance ruckte den Schieber hin und her, bekam ihn frei, hüllte die Tote in Plastik.
    Nicht unsanft hoben sie den Sack auf die Fahrtrage.
    Als sie weg waren, traten Dove und Weber zu ihm.
    »Wem gehört das hier?«, fragte Villani.
    »Sie finden es gerade heraus«, sagte Dove. »Anscheinend ist es kompliziert.«
    »Sie?«
    »Die Verwaltung. Die Leute warten unten auf uns.«
    »Soll ich das übernehmen?«, sagte Villani.
    Dove fasste sich an den Wangenknochen, bekümmert. »Das wäre hilfreich, Chef.«
    »Möchten Sie es machen, Web?«, fragte Villani, um Dove zu ärgern.
    Weber war Mitte dreißig, sah aus wie zwanzig, ein lediger, bibeltreuer Christ. Er hatte auf dem Land jede Menge Erfahrungen gesammelt: Mütter, die Kleinkinder ertränkten, Söhne, die ihre Mütter mit der Axt erschlugen, ledige Väter mit Umgangsrecht, die ihre Kinder verschwinden ließen. Doch alttestamentarische Morde im ländlichen Wohlfahrtssumpf waren keine Vorbereitung auf tote Frauen, die in Wohnungen mit privaten Aufzügen, gläsernen Badewannen, französischen Seifen und drei Flaschen Moët herumlagen.
    »Nein, Chef«, sagte Weber.
    Sie gingen auf dem Plastikstreifen entlang, durch die kleine, matt marmorne Diele der Wohnung, durch die Vordertür in einen Flur. Sie warteten auf den Fahrstuhl.
    »Wie

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