Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
1
„Mitternacht, endlich!“ Annis Augen funkelten. „Herzlichen Glückwunsch zum Valentinstag – und zu deinem Geburtstag, Yvi!“
Ich erwiderte ihre Umarmung, so gut es ging, und verteilte den restlichen Sekt in die Gläser. „Cheers, Anni! Bin gespannt, was das neue Lebensjahr so bringt.“
„Das liegt an dir. Zeit für ein paar Vorsätze, denke ich.“
Unternehmungslustig beobachtete ich die Bläschen im Glas. Bis jetzt war der Abend vielversprechend verlaufen: Meine 15-jährige Tochter Svenja hatte sich in Ermangelung eines kostenpflichtigen Geburtstagsgeschenks erboten, auf Annis Zwillinge aufzupassen. „Damit ihr beide einen richtig langen Frauenabend genießen könnt“, stand auf der Glückwunschkarte. Natürlich nahm ich ihr großzügiges Angebot an, genau wie den Pizza-Gutschein meiner Mutter und Annis großzügig spendierter Flasche Sekt, und genoss den Abend. Bis zu diesem Moment, in dem Annis Forderung nach guten Vorsätzen mich daran erinnerte, dass ich Single war. Seit einem halben Jahr!
Pünktlich um fünf Minuten nach Mitternacht betrat ein kleiner, dunkelhäutiger Mann undefinierbaren Alters die Pizzeria, einen Korb rubinroter langstieliger Rosen im Arm. „Valentin-Rose kaufen?“, fragte er und wurde erstaunlich oft belohnt.
„Rosen zum Valentinstag – wie romantisch!“ Anni sah ihm hinterher und seufzte. „Es kann kein Zufall sein, Yvi, dass der Tag der Liebenden ausgerechnet auf deinen Geburtstag fällt. Betrachte es als gutes Omen und verlieb dich mal wieder!“
„Nein, danke. Mein Bedarf an Beziehungsstress ist für die nächsten Jahre gedeckt.“
„Wer spricht denn gleich von festen Beziehungen? Dein Ex-Mann war bescheuert, als er dich sitzen ließ, und die anderen – na ja, es kann ja nicht jedes Los ein Hauptgewinn sein. Aber das ist noch lange kein Grund, der Männerwelt generell abzuschwören.“ Verträumt beobachtete sie das Pärchen am Nachbartisch, das verspielt um seine Rose rang. „Das Leben könnte so schön sein, findest du nicht? Wenn es nur mehr Männer gäbe, dann hätten wir größere Auswahl und mehr Spaß!“
Erste Alkoholwirbel im Kopf machten mich übermütig. „Ich finde, das Leben sollte mehr zu bieten haben als einen Mann.“
„Wer redet denn von einem?“ Wie üblich erstickte die gewichtige Anni meinen Protest. „Wann lernst du endlich, dass Männer nur Frösche sind und keine Prinzen? Vertrau mir: Genieß den Spatz in der Hand und hör auf, der Taube auf dem Dach hinterher zu gurren. Teste lieber deinen Marktwert und staune!“ Beschwörend hob sie die Hände. „Du bist 35 Jahre alt, Yvi, nicht 55. Svenja ist aus dem Gröbsten raus, du bist attraktiv und ungebunden, und das Leben gehört wieder dir. Und wenn du wenigstens ein kleines bisschen daran arbeitest, liegen dir auch die Männer wieder zu Füßen.“
„Wie bei Angelina Jolie?“
„Warum nicht? Nimm dir ein Beispiel an ihr und zeig, was du hast. Du würdest dich wundern, was ein bisschen Marktforschungmit deinem Sexappeal macht!“ Selbstbewusst strich sie mit dem Mittelfinger über das Grübchen an ihrem Halsansatz, was sogar auf mich ausgesprochen erotisch wirkte. So sehr, dass ich verschämt ihre Hand griff und zurück auf den Tisch zog.
„Ich weiß, wovon ich rede“, flüsterte Anni.
„Das ist es ja“, flüsterte ich. „Du bist ganz anders als ich, manchmal beneide ich dich darum. Im Vergleich zu dir wirkt mein Leben wie ein billiger Comic-Strip: Zaghafte Heldin reitet in den Sonnenuntergang, wieder einmal allein.“
„Dann ändere etwas!“
Feigling!, schalt meine innere Stimme.
„Also gut, ich mach’s! Lass uns um eine Flasche Schampus wetten.“ Wir prosteten uns zu. „Was genau habe ich da eigentlich versprochen?“
„Dass du dir die Männer weniger zu Herzen und mehr zum Spaß nimmst.“
Ich nickte mit schon etwas weinseligem Kopf und hob die Hand. „Ich schwöre, Anni: Ab heute wird alles anders. Für die nächsten 365 Tage vergesse ich Drei-Gänge-Menüs mit Vorspeise, Nachtisch und dem ganzen Beziehungskram. Stattdessen Leben à la Carte, zumindest in Männerdingen. Schließlich kauft man ja auch keine Kuh, nur weil man mal Appetit auf ein Glas Milch hat, oder?“
Der Morgen danach bescherte mir einen mittelprächtigen Kater sowie die Erkenntnis, dass sich lange Nächte und Alkohol nicht mehr so gut vertrugen wie früher. Oh Mann, fühlte ich mich alt!
Heute war also wieder mal Valentinstag, an dem sich kein Single wirklich wohl
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