Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
und sah in den Spiegel. Sein Gesicht war magerer geworden, aber auch älter. Kein Zweifel, er ging erkennbar auf die Fünfzig zu. Er sperrte den Mund auf und untersuchte seine Zähne. Mißmutig beschloß er, im neuen Jahr sofort zum Zahnarzt zu gehen. Dann schlurfte er in die Küche zurück und widmete sich wieder seiner Einkaufsliste. Den Namen Sten Torstensson strich er aus und notierte, daß er eine neue Zahnbürste kaufen müßte.
    In strömendem Regen verbrachte er drei Stunden damit, alle notierten Dinge einzukaufen. Er staunte über die hohen Preise und mußte zweimal Geld aus dem Bankautomaten holen. Als er kurz vor eins endlich wieder zu Hause war und seine Einkäufe mit der Liste verglich, merkte er, daß er den Christbaumständer vergessen hatte.
    Im selben Moment klingelte das Telefon. Da er über Weihnachten frei hatte, erwartete er keinen Anruf aus dem Polizeigebäude. Doch es war Ann-Britt Höglund.
    »Ich weiß, daß du Urlaub hast«, sagte sie. »Ich hätte nicht angerufen, wenn es nicht wichtig wäre.«
    »Als ich vor vielen Jahren Polizist wurde, hat man mir beigebracht, daß es in unserem Beruf keinen Urlaub gibt. Was lernt man denn heute zu diesem Thema an der Polizeihochschule?«
    »Professor Persson hat es einmal erwähnt. Ich habe mir leider nicht gemerkt, was er gesagt hat.«
    »Also schieß los – was willst du?«
    »Ich sitze hier in Svedbergs Büro. Frau Dunér ist bei mir und möchte unbedingt mit dir reden.«
    »Worüber denn?«
    »Das hat sie nicht verraten. Sie will nur mit dir sprechen.«
    Wallander entschied sich, ohne zu zögern: »Sag ihr, daß ich komme. Sie kann in meinem Zimmer warten.«
    »Gut«, sagte Ann-Britt Höglund. »Sonst ist alles ruhig hier, nur Martinsson und ich halten die Stellung. Die Verkehrspolizisten bereiten sich auf die Feiertage vor. Wenn es nach ihnen geht, wird ganz Schonen ins Röhrchen pusten.«
    »Ist doch völlig in Ordnung, wenn man bedenkt, wie viele |374| unter Alkoholeinfluß fahren. Dagegen muß etwas unternommen werden.«
    »Manchmal klingst du wie Björk«, sagte sie und lachte.
    »Schreckliche Vorstellung.«
    »Gibt es eigentlich einen Bereich, in dem die Anzahl der Delikte abnimmt?« fragte sie.
    Er überlegte. »Vielleicht Diebstahl von Schwarzweißfernsehern. Sonst fällt mir nichts ein.«
     
    Kurz nach ein Uhr war Wallander bereits im Polizeigebäude. In der Anmeldung glitzerte ein Weihnachtsbaum und erinnerte ihn daran, daß er immer noch keine Blumen für Ebba gekauft hatte. Auf dem Weg in sein Büro schaute er in der Kantine vorbei und wünschte frohe Weihnachten. Auch bei Ann-Britt Höglund klopfte er an, aber sie antwortete nicht.
    Frau Dunér saß auf dem Besucherstuhl und erwartete ihn. Er sah, daß sich die linke Armlehne gelockert hatte. Die ehemalige Sekretärin der Kanzlei Torstensson erhob sich bei seinem Eintreten, und sie gaben sich die Hand.
    Wallander hängte seine Jacke auf und nahm ihr gegenüber Platz. »Sie wollten mit mir sprechen?« begann er höflich, und ihm fiel auf, wie müde sie aussah.
    »Ich hatte keineswegs beabsichtigt, Sie zu stören«, sagte sie. »Man vergißt so leicht, daß die Polizei immer viel zu tun hat.«
    »Gerade jetzt habe ich Zeit. Was führt Sie zu mir?« Sie griff in eine Plastiktüte, die neben dem Stuhl stand, und holte ein Paket hervor, das sie ihm über den Tisch reichte.
    »Es ist ein Geschenk. Sie können es gleich öffnen oder bis morgen warten.«
    »Warum wollen Sie mir etwas schenken?«
    »Weil ich nun weiß, was mit den beiden Anwälten geschehen ist. Es ist Ihr Verdienst, daß die Täter gefaßt wurden.«
    Wallander schüttelte den Kopf und streckte abwehrend die Arme aus. »Das ist nicht richtig. Es war Teamarbeit, viele waren beteiligt. Sie müssen mir nicht danken.«
    Ihre Antwort überraschte ihn. »Keine falsche Bescheidenheit, |375| Kommissar Wallander«, sagte sie streng. »Alle wissen, daß es Ihr Verdienst ist.«
    Weil Wallander keine passende Antwort einfiel, begann er, das Paket zu öffnen. Es enthielt eine der Ikonen, die er in Gustaf Torstenssons Keller entdeckt hatte.
    »Das kann ich nicht annehmen«, sagte er. »Wenn ich mich nicht irre, gehört sie zu Anwalt Torstenssons Sammlung.«
    »Jetzt nicht mehr«, sagte Frau Dunér. »Er hat mir die Ikonen testamentarisch vermacht. Und ich möchte Ihnen gern eine davon schenken.«
    »Sie muß sehr wertvoll sein«, sagte Wallander. »Als Polizist darf ich solche Präsente nicht annehmen. Ich müßte zumindest mit meinem Chef

Weitere Kostenlose Bücher