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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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blanken Wangen strotzten vor Wohlgefallen, Fuß setzte sich vor Fuß; er zog den weißen Hut vor jedem Herrn, ohne den Kopf nach links zu ihnen zu drehen. Graubärtig folgte auf spitzen Füßen der Kammerherr vom Dienst; vor der blauen Samtjacke, der hohlen Brust ließ er vom Hals herab den goldenen Schlüssel schaukeln, trug Mantel und Gebetbuch hinter der Majestät. Der Leibarzt darauf mit niedergeschlagenen Augen, im schwarzen Tuchrock, Thomas Mingonius, Verwalter kaiserlicher Gebrechen; seine Nase schnüffelte; die Lippchen trieb er zum steifen Rüssel vor. Zwei Kammertürhüter unhörbar.
    Und wie an einem Efeuspalier Blatthaufen nach Blatthaufen sich unter dem Windstoß duckt, verneigten sich die Herren. Carafa hatte längst seinen Kopf wieder vor der Brust hängen, als die weinrote Exzellenz Eggenberg den Leib einzog, seufzend sich wieder einrenkte. Verneigt hatte sich vor dem Träger der Krone des deutschen Reiches, dem Herrn zu Ungarn Böhmen Dalmatien Krain Slawonien, unbeschränkten Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund Steiermark Kärnten Württemberg, vor dem Szepterschwinger in Ober- und Niederschlesien, Grafen zu Habsburg, Grafen zu Tirol, Grafen zu Görz, verneigt neben dem vielgeliebten Hans Ulrich von Eggenberg, dem freundlichen spitzbärtigen Kavalier, dem alten Schlemmer, das unruhige Pergamentmännlein in violetter Robe, trüben Auges, Herr Anton Wolfrath, Mönch Abt Bischof Fürst Nichts. Verneigt edlen Gesichts, zypressenschön, mit Perlenringen in den Ohren, die Strenge der Blicke aufgelockert vom Weindunst, der Sohn des italienischen Spezereihändlers Verda, residierend auf dem Neuen Markt, Johann Baptist von Werdenberg, Graf und Hofkanzler. Der schwarze dichthaarige Böhme Questenberg, Baron Gerhard, nicht lange noch Registrator, gewaltig unter seinem Schnurrbart blasend, der sich sträubte und aufstellte, glotzäugig, Bärenbeißer mit Wulstlippen. Verneigt Zdenko von Lobkowitz. Verneigt im Schmuck des Goldenen Vlieses der sehr bleiche Geheimrat Meggau.
    Ganz unten am Vorhang stand der Oberst der Leibgarde in hohen Reiterstiefeln, schimmerndes Wehrgehenk über dem hellgelben zobelverbrämten Wams, Neidhard von Mersberg, kolossal von seinen Schultern schauend, schäumend in süßer Betäubung, an seinem spanischen Kragen reißend: »Bärenhäuter! Schelme! Malefizverbrecher!« Wußte nicht wer, konnte in Wut und Verehrung nur noch die Arme über die klirrende Brustwölbung verschränken, auf die Knie sinken hinter dem schon verschwundenen Kaiser.

    NACH DEM Empfang des Primas von Ungarn erbat sich der Kaiser Urlaub von seinen Ministern. Er brauchte mit einer erzwungenen Freundlichkeit diesen Ausdruck. Es war den Herren bekannt, daß dem Fürsten Wien seit Monaten nicht behagte, daß er sich mit dem Gedanken trug, gänzlich nach Prag zu verziehen, in den prächtigen düstern Gemächern des Matthias und Rudolf zu hausen; es ließ sich schwer erfassen, was dahinter steckte. Man schob es auf die unaufhörlich wirkende Trauer um seine tote Frau; sie lag schon seit fünf Jahren in Grätz, in der Kapelle der heiligen Martyrin Katharina; man dachte an Ferdinands Zorn über den Adel Wiens, der ihn bei dem Protestantensturm auf das Schloß vor einigen Jahren im Stich gelassen hatte. Aber diese Gestalt des Habsburgers, seine Mimik, wie er, noch triefend von den Soßen Weinen der Festmähler, sich vom Sitz erhob, gegen Schrems hinausritt, nach dem Wallfahrtsort Hoheneich, fast unbegleitet, nach flüchtigen Abschiedsworten, war dem Hof und den Räten auffällig.
    In Hoheneich stand ein niedriges Kirchlein; innen zwischen zwei Pfeilern in seine Mauer eingelassen, gleich an der Pforte, eine Eichentür, mitten zerklüftet, von Eisenklammern zusammengehalten, altersbraun unscheinbar. Ein frecher Landadliger hatte einmal diese alte Kirchentür verrammelt, als eine Prozession von Schrems heraufkam; im Gebüsch saß er mit seinen Spießgesellen, um sich an dem Spektakel zu ergötzen. Die Chorknaben schwangen die Rauchfässer, die Monstranzen klangen, vorn der Fahnenträger senkte das Seidentuch auf der Treppe: die Tür sprang auseinander, die Kinder sangen weiter! Der Edelmann wollte im Schreck sich aus dem Ginster erheben, den beiden andern stiegen Reuetränen in die Augen. Sie rissen die grünen Sträucher vor sich auseinander, ihre Waffen blieben im Gras, sie trabten langsam gegen den Zug hin, bis man Steine gegen sie schleuderte, als sie sich anschließen wollten. Der Edelmann lief beiseite, stieß

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