Wallenstein (German Edition)
dem Tisch, auf den Bänken; sie waren übereilt abgezogen.
Ferdinand setzte sich hin, sah atmend dem Kobold zu, der alles durcheinanderwarf, zuletzt mit einem Stück Brot davonrannte.
Sommerliches Rauschen im Wald, die Sonnenlichter spielten.
Der Waldmensch öffnete gegen Abend, wie es glührot geworden war, die Tür. Ferdinand lag gestreckt auf der Bank. Das Geschöpf klopfte mit dem Finger gegen die nackten Fußsohlen des Mannes. Der richtete sich auf.
Ein breites flaches Messer lag unter dem Tisch neben der Bank. Das Geschöpf stieß mit den Zehen daran. Im Moment bückte es sich, faßte mit einem langen behaarten Arm herunter. Seine Augen glitzerten.
Rittlings schwang er sich vor den Mann auf die Bank, drückte sich fest an den erschauernden freudvoll blickenden und senkte blitzschnell das Messer von hinten in seinen Rükken. Mehrmals. Sie hielten sich Auge in Auge. Ein leichtes Staunen kam in Ferdinands Ausdruck. Er erzitterte bis in die Fußspitzen, legte sich seitlich um.
Das Geschöpf rutschte von der Bank, blickte das Messer an, sauste damit hinaus, gab Stöße in den Grasboden, schleuderte das Messer von sich gegen die Hütte.
Nach zwei Tagen schlich es herein, aß. Faßte den Körper, der unter dem Tisch lag, an beiden Füßen, spannte sich wie ein Pferd vor, lief mit ihm hinaus, zerrte ihn über das Gras. Der Kobold war so stark, daß er den mageren Körper im Kreis um sich schwingen konnte. Er schnalzte kicherte freute sich daran.
Lief mit ihm über Gebüsch Äste. Es war Regenwetter. Die Tropfen klatschten. Ferdinand lag auf zwei sehr hohen Ästen. Das dünne kühle Wasser floß über die hellen Augen. Der Kobold hatte kleine Zweige zu sich heruntergezogen, er saß vom Laub gedeckt. Schaukelte den Körper auf den großen Ästen, knurrend stirnrunzelnd.
UNTER DIE aufmarschierenden Heere der Kaiserlichen Sachsen Schweden Bayern gerieten von allen Seiten die losgelösten verzweifelten Volksteile. Viele gingen zu den Truppen über, von Lohn und Nahrung verlockt. Was ihnen störend in den Weg kam, zerklatschten die Heere.
Die Söldnermassen selbst brachen gegeneinander los, schlugen sich nieder, verfolgten sich, metzelten sich von neuem, Kaiserliche Sachsen Schweden Bayern. Im Westen hatten sich die Welschen gesammelt. Sie warteten in frischer Kraft auf ihr Signal, um sich hineinzuwerfen.
Editorische Notiz
Die vorliegende Ausgabe von Döblins Roman ist textidentisch mit:
Alfred Döblin: Wallenstein. Hrsg. v. Erwin Kobel. Düsseldorf u. Zürich 2001 (= Ausgewählte Werke in Einzelbänden. Begründet von Walter Muschg. In Verbindung mit den Söhnen des Dichters herausgegeben von Anthony W. Riley).
Textgrundlage ist der Erstdruck, der 1920 im S. Fischer Verlag erschien. Dieser wurde Wort für Wort mit dem nahezu vollständig überlieferten Manuskript verglichen. Die zahlreichen Differenzen erforderten auch die Berücksichtigung allfälliger Entwürfe und Materialien.
Die Orthographie folgt dem Erstdruck. In die Interpunktion wurde nur dort eingegriffen, wo Unklarheiten vorlagen oder falsche Bezüge entstehen konnten. Neben offenkundigen Druck- und Überlieferungsfehlern wurde auch Sachliches berichtigt: die Verwechslung von Personennamen etwa oder falsche Ortsangaben.
Über Alfred Döblin
Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 in Stettin an der Oder geboren. Nach dem Studium der Medizin arbeitete er fünf Jahre lang als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Nach der Veröffentlichung erster Erzählungen, darunter »Die Ermordung einer Butterblume«, erschien Döblins erster großer Roman »Die drei Sprünge des Wang-lun« im Jahr 1916 bei S. Fischer. Sein größter internationaler Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman »Berlin Alexanderplatz«. 1933 flüchtete Döblin vor dem Nationalsozialismus nach Zürich. Die meiste Zeit seiner Jahre im Exil verbrachte er in Frankreich und den USA. Aus dem Exil zurückgekehrt, lebte Döblin zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
Impressum
Covergestaltung: Stefan Gelberg
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2008
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-400018-3
Wie hat Ihnen das Buch ›Wallenstein‹ gefallen?
Schreiben Sie hier Ihre Meinung zum
Weitere Kostenlose Bücher