Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
dieser neuen Billigverträge abschließt.«
»Hat der keine Haken?«, fragt Walpar misstrauisch.
Es entsteht eine Pause, die aber immer noch kürzer ist als die Verzögerungen, die konventionelle Funkwellen auf den paar hundert Millionen Kilometern Entfernung zwischen Erde und Mars erleiden würden.
»Lass uns über etwas anderes reden«, sagt Nera. Der Überlicht-Funk erlaubt keine perfekte Übertragung von Stimmen, aber Walpar hört genau, wie Nera sich vornimmt, die genauen Vertragsbedingungen nochmal zu studieren.
»Was gibt's denn?«
»Wie geht's Kerbil?«
Walpar dreht den Kopf und schaut hinein ins Kursfeuerwerk. Er sieht hauptsächlich Blinken und Schatten, aber einer der Schemen hat genau den Umriss eines Kerbils, der ziemlich viel Spaß hat. »Er macht mich reich«, sagt Walpar.
»Lässt du ihn für dich Mau-Mau spielen?«
»So was in der Art«, grinst Walpar und zupft an seinem Ohrläppchenrest.
»Tilko ist verschwunden.«
Walpar braucht einen Moment, bis er reagiert. Zuerst will er antworten:
»Und was geht mich das an?« Dann fällt ihm ein, dass er Weltraumdetektiv ist und es sein Job ist, nach verschwundenen Personen zu suchen. Bevor er eine entsprechende Antwort in den Pinguin spricht, kommt er zum Glück darauf, dass Tilko Neras Sohn ist und sie sich vermutlich fürchterliche Sorgen um ihn macht, wenn er sich länger als ein paar Minuten nicht zu Hause meldet. »Dem geht's bestimmt gut«, sagt Walpar und hofft, dass die überlichtschnelle Übertragung die Gehässigkeit herausfiltert, die er selbst gerade wahrgenommen hat.
»Und wenn nicht? Das kann dir nicht egal sein!«
»Wie lange hat er sich nicht gemeldet?«
»Mehr als zwei Tage.«
»Und da machst du dir Sorgen?«
»Ja«, schnappt Nera, »ich hatte nämlich gestern Geburtstag und da ruft er immer an.«
Walpar schluckt. Er hat auch nicht angerufen. Wenn ihm sein Leben lieb ist, muss er jetzt feinfühlig sein. Zu dumm, dass das nicht gerade sein Spezialgebiet ist. In anderen Disziplinen ist er viel besser. In Gehässigkeit zum Beispiel.
Ausgerechnet jetzt kommt Henriettes Mutter um die Ecke. Von ihrer Tochter ist nichts zu sehen, dafür hat sie einen Schießprügel in der Hand und richtet ihn auf Walpar.
Kerbil Routwegen ist 13. Ein tolles Alter: Man kann jede Menge Spaß haben und bezahlen müssen die Erwachsenen. Dass Spaß Geld kostet, lernen Kinder des 22. Jahrhunderts vor dem Alphabet. Gut, die meisten Kinder lernen das Alphabet nie, sie haben ihre Handys mit eingebauten Kameras, die ihnen Texte einfach vorlesen. Die restlichen Kinder werden unter Androhung von grausamer Folter dazu gezwungen, Lesen und Schreiben zu lernen. Kerbil ist eine Ausnahme. Er hat freiwillig Lesen und Schreiben gelernt. Hauptsächlich, weil er ganz sicher war, dass sich verschwörerische Botschaften hinter den geheimen Schriftzeichen verbergen: wichtige Nachrichten von Außerirdischen, die mit mächtigen Waffen die Regierungen der Erde kontrollieren und durch Geheimschrift in Büchern und Laufschriften Anweisungen erteilen. Welcher Film auf gar keinen Fall gedreht werden darf und wie ihre Existenz weiterhin zu verschleiern ist. Kerbil fand seinerzeit, dass dies so ziemlich alles erklärte, was im Sonnensystem geschah. Als er herausfand, dass Buchstaben wirklich Botschaften übermitteln, war er enttäuscht über ihren Inhalt und versuchte aus Rache, das Gelernte wieder zu vergessen.
Das hat nicht geklappt, denn wer einmal lesen und schreiben kann, weiß, dass dies einer der wesentlichen Punkte ist, in denen er sich vom Affen unterscheidet. Kerbil hat genug Affen kennengelernt, um zu wissen, dass er keiner sein will.
Deshalb beherrscht er jetzt das Alphabet. Diese Tatsache verschafft ihm im Kursfeuerwerk einen entscheidenden Vorteil. Während die meisten Kinder bloß hier und da Knöpfe drücken und dann albernerweise so tun, als würden sie damit außerirdische Raumschiffe vom Himmel schießen, zieht Kerbil Schlussfolgerungen aus Schriftzeichen, die vorübergehend an der Projektionskuppel aufleuchten, Farbkombinationen aufleuchtender Lämpchen und Muster, in denen sie blinken.
Er schafft es, die hellblaue Zickzackkurve, die Walpar ihm gezeigt hat, deutlich zu manipulieren. Die Linie zeigt jetzt steil in die Höhe, sodass ein Radfahrer, der von links den Berg hinuntergerollt kommt, als feuchter Fleck an der Mauer endet, die Kerbil aufgeschichtet hat. Das Erfolgserlebnis schickt ein Prickeln durch seinen Körper und er fühlt sich stark genug, um einem kleinen Jungen
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