Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Sanddüne (die »Kahlenberge«) gekauft hatte, von vornherein mit der Absicht, eine Oase daraus zu machen. Als er beim Graben den eben erwähnten Burgschlüssel fand, lächelte er und sah darin eine Gewähr, daß diese Stelle nun seine sein sollte.
*
Die Kahlenberge, wie hervorgehoben, waren nur ein Sandplateau; nichtsdestoweniger machte der Ankauf dieses halb wertlosen Terrains (der Morgen wurde anfangs nur mit sechs Taler bezahlt) große Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten entstanden daraus, daß es Stadtland war, an dem viele Ruppiner Bürger strichweis ihren Anteil hatten, so daß beispielsweise mit einhundertundachtzehn Partnern verhandelt und ebensoviel Tauschverträge zustande gebracht werden mußten. Schließlich waren einige tausend Morgen erworben, aber ehe das Gesamtareal beisammen war, gingen die zuerst erstandenen und bereits urbar gemachten Teile schon wieder durch allerlei Prüfungen und Gefahren.
Diese Gefahren waren Wassers- und Feuersnot.
Was zunächst die Wassersnot angeht, so muß vorauf bemerkt werden, daß es keine Not durch, sondern eine Not um Wasser war.
Gleich in den ersten Jahren wurd' es eine Lebensfrage für Gentzrode, ob es möglich sein werde, das erforderliche Wasser zu beschaffen. Man hatte bis dahin nur einen Regentümpel, nur eine primitive Zisterne. Damit war nichts zu leisten, und immer unerläßlicher erwies sich die Herstellung eines Brunnens. Ein Ratszimmermeister wurde konsultiert und unterfing sich endlich, die Sache wagen zu wollen. Ein halbes Hundert Arbeiter ward angestellt, um ein trichterförmiges Loch zu wühlen, das eine Tiefe von 40 und oben eine Weite von 50 Fuß hatte. Jedoch umsonst: kein Wasser kam und der Ratszimmermeister erklärte schließlich, »daß sein Rat und seine Weisheit zu Ende seien.« Stafetten gingen nun nach Berlin, um von dort her »höhere Meister« herbeizuholen. Aber wie zu Zeiten einer Epidemie keine Ärzte zu haben sind, so waren in jenem beispiellos trockenen Sommer (1857) keine Brunnenmacher zu haben. Von allen Seiten her waren dieselben Notschreie gekommen und in der Hauptstadt selbst stand es kaum besser. So blieb denn Gentzrode auf seine eigenen oder doch auf benachbarte Kräfte angewiesen. Und sie fanden sich auch.
Ungerufen stellte sich ein kleiner, unansehnlicher Mann ein, namens Franke, der aus Groß-Menz gebürtig und seines Zeichens ein Maurergeselle war. Er erbot sich, den Brunnen fertig zu bauen. Wie begreiflich, fand er zunächst wenig Glauben und Vertrauen. »Er sieht aus wie ein Maulwurf«, sagte der alte Gentz; »aber was soll uns das; Erde genug ist aufgeworfen.« Franke ließ sich jedoch weder durch scherzhafte noch durch ernst gemeinte Bemerkungen aus der Fassung bringen und zeigte jedem Bedenken gegenüber eine solche Sicherheit und Ruhe, daß endlich beschlossen ward, ihn gewähren zu lassen. Er wurde nun in eine Baracke einlogiert, erwies sich hier mit allem zufrieden und imponierte zunächst durch Anspruchslosigkeit. Aber schon nach einigen Tagen überraschte die Kunstfertigkeit, mit der er zu Werke ging. Er hatte die Methode des »Senkens«, die die Ruppiner noch nicht kannten, und die, wenn ich richtig verstanden habe, dem »mit dem Kasten vorgehen« der Mineure oder der Anwendung des »Wolfs« oder Eisenwagens entsprach, mit dessen Hilfe beispielsweise der Tunnel in London gebaut wurde. Vortreiben, ausgraben und wieder vortreiben. Die vorgetriebene Eisenwandung (so wenigstens beim Tunnelbau) bildet den jedesmaligen Schutz für den Grabenden, während das hinter ihm liegende Stück ausgemauert wurde.
Gentzrode war in jenen Tagen, fast mehr noch als später, eine Sehenswürdigkeit und es machte wirklich einen spukhaften Eindruck, den kleinen Mann bei Grubenlicht wie einen Erdgeist in der Tiefe hantieren zu sehen. Einer rief hinunter: »Wenn dich der Teufel geholt hat, so decke den Brunnen zu.« Dieses letztere wurde aber nicht nötig, weil das erstere nicht geschah; Franke erreichte vielmehr nach vier Wochen angestrengter Arbeit den Wasserspiegel. Er lag 56 Fuß tief. Und mit neuem Mute setzte der »Maulwurf« nunmehr seine Arbeit fort.
*
Lassen wir ihn zunächst in seiner Tiefe, daraus wir ihn erst, in einem neuen kritischen Momente, wieder werden emporsteigen sehen. Denn seltsam, eben diesem kleinen Manne war es auch vorbehalten, die zweite, größere Not, die Gentzrode zu bestehen hatte, zu beseitigen oder wenigstens, allen andern vorauf, an ihrer Beseitigung mitzuwirken. Er hatte das
Weitere Kostenlose Bücher