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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Februar.
     
Frau von Friedland
     
    1788–1803
     
    Hans Sigismund von Lestwitz war am 16. Februar 1788 zu Berlin gestorben, seine Leiche aber nach Cunersdorf übergeführt worden. Da ihm, wie wir gesehen haben, Amt Friedland als freies Eigentum von seiten des Königs verliehen worden war, so ging nun die ganze Herrschaft Friedland, die bereits eine ganze Anzahl von Gütern zählte, auf seine Erbtochter über, die damals schon den Namen »Frau von Friedland« führte. Mit diesem Namen hat es folgende Bewandtnis:
    Helene Charlotte von Lestwitz, geb. am 18. November 1754, vermählte sich 1771, also kaum siebzehn Jahre alt, mit Adrian Heinrich von Borcke, Königlichem Gesandten in Dresden, später in Stockholm. Die Ehe war jedoch, durch Schuld des Gemahls, keine glückliche, und wurde, bald nach der Geburt einer Tochter Henriette Charlotte, spätere Gräfin von Itzenplitz, wieder getrennt.
    Da die Geschiedene so wenig wie möglich an eine Ehe erinnert sein wollte, die ihr eine Last und Kränkung gewesen war, so nahm sie unter Zustimmung des Königs den Namen einer Frau von Friedland an und führte das Lestwitzsche Wappen fort. Gleichzeitig kehrte sie nach Schloß Cunersdorf, in das elterliche Haus zurück und lebte daselbst ausschließlich der Erziehung ihrer Tochter und der Ausbildung ihres eigenen Geistes. Nach dem Tode des Generals, ihres Vaters, übernahm sie sofort die Verwaltung der beiden Güter, und da es ihrem scharfen Auge nicht entging, daß die Bewirtschaftung, um zu größeren Erfolgen zu gelangen, vor allem eines größeren Betriebskapitals als bisher bedürfe, so verkaufte sie ihren Schmuck und ihre Juwelen, um sich in den Besitz eines solchen Kapitals zu bringen.
    Dieser erste Schritt, mit dem sie die Verwaltung ihrer Güter begann, zeigt am besten, welcher raschen und energischen Entschlüsse sie fähig war. Es war eine seltene und ganz eminente Frau; ein Charakter durch und durch. General von der Marwitz auf Friedersdorf, der ihr Gutsnachbar war, hat uns in seinen Memoiren eine Schilderung dieser ausgezeichneten Frau hinterlassen. Er schreibt: »Das meiste in der Landwirtschaft – ungefähr alles, was ich nicht schon aus der Kindheit wußte und nachher aus der Erfahrung erwarb – habe ich von einer sehr merkwürdigen Frau in unserer Nachbarschaft gelernt, von einer Frau von Friedland. Als ich sie kennenlernte (1802), war sie ungefähr zwölf Jahre im Besitz der Güter und führte alles mit beispielloser Ausdauer und Umsicht. Es waren sechs große Wirtschaften, die sie selbst leitete; Unterbeamte hatte sie keine andern als Bauern, die sie selbst dazu gebildet hatte. Nicht nur war der Ackerbau im blühendsten Zustande, sondern sie hatte ihre Wälder aus sumpfigen Niederungen auf bisher öde Berge versetzt, diese Niederungen aber in Wiesen verwandelt, und so in allen Stücken. Ein solches Phänomen war natürlicher Weise weit und breit verschrien. Man sagte, sie ritte auf den Feldern umher (das war wahr) und hätte beständig die Peitsche in der Hand, womit sie die Bauern zur Arbeit treibe – das war erlogen. Ich fand im Gegenteil eine wahre Mutter ihrer Untergebenen in ihr. Wo sie sich sehen ließ, und das war den ganzen Tag bald hier, bald dort, redete sie freundlich mit ihnen, und den Leuten leuchtete die Freude aus den Augen. Aber gehorchen mußte alles. Sie war aber nicht bloß eine Landwirtin, sondern eine höchst geistreiche und in allen Dingen unterrichtete Frau. Ich schulde ihr sehr viel; sie hatte mir, als ich Friedersdorf übernahm, die nötigen Wirtschaftsbeamten verschafft und die Rechnungsbücher einrichten lassen.«
    So weit Marwitz über Frau von Friedland. Sehr ähnlich, aber noch lebhafter, wärmer, begeisterter, äußert sich Thaer über dieselbe, der sie im Sommer 1801, nachdem er schon 1799 ihre erste Bekanntschaft gemacht hatte, bei seinem zweiten Besuch in der Mark näher kennenlernte. Er schreibt: »Auf der Grenze ihrer Herrschaft kam uns Frau von Friedland, eine der merkwürdigsten Frauen, die je existiert haben, in vollem Trabe entgegen, sprang vom Pferde und setzte sich zu uns in den Wagen. Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Gräben weg. Wir fuhren vier volle Stunden von einem Ort zum andern. Fünf bis sechs Verwalter, Schreiber usw. waren immer neben und hinter dem Wagen, und mußten bald eine Herde Kühe, bald eine Herde Schafe oder Schweine herbeiholen. Da indessen einige der Gesellschaft nicht länger verhehlen konnten, daß ihnen nach einem Imbiß verlange,

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