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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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1.
     
    In dieser entscheidenden Nacht kam endlich die Ruhe über Dorian V. Das Licht der unzählbaren Sterne flimmerte als Spiegelbild auf den Gläsern der Instrumente und über allen glänzenden Kanten. Alle Unruhe war von ihm abgefallen wie eine abgestorbene Haut. Das All, das sich auf den Bildschirmen und hinter den Luken ausbreitete, war glasklar. Die Sonne des Planeten, dem die Rechner den hypothetischen Namen Fuega gegeben hatten, schob sich aus der Anonymität des stellaren Hintergrundes hervor, als sich das Raumschiff dem Planetensystem näherte. Es schoß dahin wie ein Gedankenpfeil; schnell und souverän gesteuert.
    Dorian wurde munter. Er stand auf, verließ den überdimensionalen Pilotensessel und schaltete das Raumlicht an. Für einige Sekunden blieb sein Blick auf dem Bildkubus haften. Die Hand des vierunddreißig jährigen Mannes streckte sich aus und tippte die Frontscheibe des Würfels an. Das gespeicherte Programm begann abzulaufen, diesmal mit neuen Variationen. V, Variatio, war auch das Kennzeichen Dorians.
    »Amaouri«, sagte er leise in die von Ticken, Summen und Schnurren erfüllte Halbstille der Kanzel hinein. »Ich wünschte, du wärest hier … und könntest mir helfen.«
    Sie war nicht hier, noch würde sie ihn auf einem der Planeten begleiten können, deren Koordinaten die Großrechner anhand des Halsschildes des Dädalos errechnet hatten.
    Aber sie war in Bild und Ton hier.
    Das Programm lief an und zeigte eine junge Frau, deren außergewöhnliche Schönheit nichts von ihren inneren Qualitäten erkennen Heß. Wenige Menschen – schon in diesem Wort lag für Dorian V. eine untergründige, fast groteske Bedeutung – kannten Amaouri genau. Er war einer von ihnen.
    »Ich weiß«, sagte das dreidimensionale Farbbild, während die junge Frau sich langsam der Aufnahmeoptik näherte, »daß du in diesem Augenblick meine Nähe herbeiwünschen wirst. Das ist unmöglich, denn ich könnte auf deiner Mission mit dir nicht Schritt halten und würde dich ablenken. Aber ich weiß, Dorian, daß du der perfekteste aller Kuriere bist, die das All je gesehen hat. Und nach deiner Rundreise werden wir alle Zeit dieser Welt für uns haben.«
    Dieser sterbenden Welt namens Terra, dachte Dorian und löschte das Bild: Amaouris Gesicht, ganz nahe, mit lächelnden Augen und lächelndem Mund, und dahinter wurde für ihn ihre Liebe sichtbar. Nur für ihn – für keinen anderen Menschen außer ihm.
    Er hob die Schultern, ließ sie wieder sinken und wußte, daß auch ihre Worte und ihr Lächeln die Gefahr, die ihm von Fuega drohte, keineswegs mindern konnten. Nur er würde diesen Planeten betreten können. Eine Welt, deren flammende Zungen ihn töten konnten.
    »Schließlich ist jeder ein einsamer Jäger und zugleich ein einsames Opfer einer noch größeren Jagd!« sagte er laut. Die Worte hallten zwischen den gerundeten Wänden der Kanzel, als er diesen Raum verließ, sich einen Kaffee aufbrühte und ein großes Glas eines stark aromatischen braunen Alkohols abfüllte. Dann zündete er seine letzte Zigarette vor dieser Mission an und trank langsam Alkohol und Kaffee in kleinen Schlucken. Der Autopilot nahm sämtliche Schaltungen vor und trug das Schiff fast lichtschnell auf die Sonne Fuegas zu.
    »Die erste Regel. Es gibt keine schlechten Kuriere!« sagte Dorian in fatalistischer Heiterkeit. Was getan werden mußte, konnte nur er tun. Er war das Ergebnis von einigen Millionen zielgerichteter Modifikationen und Mutationen und stellte die mathematische Spitze einer Pyramide dar, deren Basis einmal alle Menschen eines Planeten namens Erde gewesen waren. Einmal, vor grauer Vorzeit, als es noch einen Mond und nicht einen Ring kosmischer Trümmer gegeben hatte. Er lächelte und warf die Zigarette vorsichtig in den Konverter, der sie mit einem Funkenschlag in Elementarteilchen auflöste.
    Er aß drei verschiedenfarbige Konzentratwürfel und überdachte seine Lage. In etwa einem Tag irdischer Rechnung, der auch die Bordzeit zugrunde lag, würde er den Boden dieser planetaren Hölle betreten haben und dort mit seiner Mission beginnen müssen. Niemand, buchstäblich niemand, wußte, was ihn dort erwartete – außer allen nur erdenklichen Gefahren.
    Im Augenblick war er noch, was seine Wahrnehmungsfähigkeit betraf, ein Mensch. Ein Bewohner der Erde, der sich im »Signalraum« eines Homo sapiens aufhielt. War der Planet nahe genug vor dem Raumschiff, würde er eine Reihe von Spektren erweitern und sich der ausgeprägten

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