Wanderungen durch die Mark Brandenburg
durchzumachen hatte. Auch die Superintendentenwohnung ward in Asche gelegt, so daß von dem Hause, darin Schinkel geboren wurde, nichts mehr existiert. Es stand ungefähr an derselben Stelle, wo sich die jetzige Superintendentenwohnung befindet, aber etwas vorgelegen, auf dem jetzigen Kirchplatz, nicht an demselben. Die Mutter Schinkels (eine geborene Rose und der berühmten gleichnamigen Gelehrtenfamilie, der die Chemiker und Mineralogen Valentin, Heinrich und Gustav Rose zugehörten, nahe verwandt) zog nach dem Hinscheiden ihres Mannes in das sogenannte Predigerwitwenhaus, das, damals vom Feuer verschont geblieben, sich bis diesen Tag unversehrt erhalten hat. In diesem Hause, mit dem alten Birnbaum im Hof und einem dahinter gelegenen altmodischen Garten, hat Schinkel seine Knabenzeit vom sechsten bis vierzehnten Jahre zugebracht.
Aus seiner frühesten Jugend ist nur folgender kleiner Zug aufbewahrt worden. Sein Vater zeichnete ihm öfter allerlei Dinge auf Papier, namentlich Vögel. Der kleine Schinkel saß dann dabei, war aber nie zufrieden und meinte immer: »Ein Vogel sähe doch noch anders aus.« Sein Charakter nahm früh ein bestimmtes Gepräge an; er zeigte sich bescheiden, zurückhaltend, gemütvoll, aber schnell aufbrausend und zum Zorn geneigt. Eine echte Künstlernatur. Auf der Schule war er nicht ausgezeichnet, vielleicht weil jede Art der Kunstübung ihn von früh auf fesselte und ein intimeres Verhältnis zu den Büchern nicht aufkommen ließ. Seine musikalische Begabung war groß; nachdem er eine Oper gehört hatte, spielte er sie fast von Anfang bis zu Ende auf dem Klavier nach. Theater war seine ganze Lust. Seine ältere Schwester schrieb die Stücke, er malte die Figuren und schnitt sie aus. Am Abend gab es dann Puppenspiel.
In seinem vierzehnten Jahre zog seine Mutter nach Berlin, und Schinkel kam nur noch besuchsweise nach Ruppin, besonders nach Kränzlin, einem nahebei gelegenen Dorfe, an dessen Pfarrherrn seine ältere Schwester verheiratet war. Nach Kränzlin hin, wie schon hier bemerkt werden mag, adressierte er auch seine Briefe aus Italien, wohin er im Jahre 1803 seine erste Reise antrat. Dies Dorf und sein Predigerhaus blieben ihm teuer bis in sein Mannesalter hinein. Unter seinen Jugendarbeiten im Radenslebener Herrenhause (s. S. 46) befindet sich auch eine Zeichnung der Kränzliner Kirche.
Das Berliner Leben unterschied sich zunächst wenig von den Tagen in Ruppin. Hier wie dort eine Wohnung im Predigerwitwenhause, hier wie dort Besuch des Gymnasiums. Auch auf der Berliner Schule, dem grauen Kloster, ging es nicht glänzend mit dem Lernen, die Kunst hatte ihn bereits in ihrem Bann. Er zeichnete mit Eifer, und wir sind so glücklich, einige dieser seiner ersten Versuche zu besitzen. Es sind Porträtköpfe (Rembrandt, Friedrich der Große und ein Unbekannter), alle drei aus dem Jahre 1796 und mit großer Sauberkeit von dem damals fünfzehnjährigen Schinkel ausgeführt. Indessen so wertvoll uns diese Blätter jetzt erscheinen müssen, so waren sie doch nichts anderes als Zeichnungen nach Vorlegeblättern, wie sie, ohne daß sich später ein Schinkel daraus entwickelt, tagtäglich gemacht zu werden pflegen. Er entbehrte, trotz alles künstlerischen Dranges, noch jeder Klarheit, und der zündende Funke war noch nicht in seine Seele gefallen. Daß er der Kunst und nur ihr angehöre, dies Bewußtsein kam ihm erst später. Freilich bald.
Es war im Jahre 1797 auf der damals stattfindenden Ausstellung, daß ein großartiger, vom jungen Gilly herrührender phantastischer Entwurf eines Denkmals für Friedrich den Großen den tiefsten Eindruck auf ihn machte und ihn empfinden ließ, wohin er selber gehöre. Er verließ die Schule (1798), ward in das Haus und die Werkstatt beider Gillys, Vater und Sohn, eingeführt und begann seine Arbeiten unter der Leitung dieser beiden ausgezeichneten Architekten. Eine enthusiastische Verehrung für den Genius des früh hingeschiedenen jüngeren Gilly blieb ihm bis an sein Lebensende.
Es existieren Arbeiten aus dieser ersten Schinkelschen Zeit und alle zeigen den Gillyschen Einfluß. Kein Wunder. Auch das Genie schafft nicht lediglich aus sich selbst und Schinkel entbehrte noch der lebendigen Anschauungen, die ihm die Kraft oder auch nur die Möglichkeit zu freier Entfaltung hätten geben können. Jedenfalls war das Verhältnis Schinkels zu Gilly von kürzester Dauer; schon nach zwei Jahren, am 3. August 1800, starb dieser liebenswürdige und geistreiche
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