Wanderungen durch die Mark Brandenburg
blieb das Wendentum in Kraft. Jetzt indessen, wenige Stätten abgerechnet, ist es im Leben unseres Volkes verschwunden. Es lebt noch fort in der Mehrzahl unserer Städte- und Dorfnamen, in dunklen Erinnerungen, daß in einzelnen, den Namen eines Wendengottes bis heute festhaltenden Lokalitäten (in Jüterbog, in Gütergotz) ein Tempel stand, vor allem in den Heidengräbern und Wendenkirchhöfen, die sich allerorten in der Mark verbreitet finden.
Aber es ist charakteristisch, daß eben das einzige, was aus der alten Wendenwelt noch zu uns spricht, ein Begrabenes ist. Alles geistig Lebendige ist hinüber. Selbst der Aberglauben und die in ihm wurzelnden Gebräuche, Sitten und Volksweisen, die wohl dann und wann für wendische Überreste gehalten worden sind, lassen sich vielfach auf etwas Urgermanisches zurückführen, das, auch vor den Wenden schon, hier heimisch war. Mit Sicherheit lebt noch Altdeutsches in den Gemütern, und das Volk erzählt von Wodan und Fricke (Freia) und von dem Hackelberger Jäger. Aber Radegast und Czernebog sind tot. Das Wendische ist weggewischt, untergegangen in dem Stärkern, in dem germanischen Leben und Gemüt, und nur am Ende der Oder hin, den polnisch-slawischen Landen zu, zeigt sich je zuweilen, neben dem slawisch Heiteren, auch noch jener auf Hartnäckigkeit und Verschlossenheit deutende finstere Zug, der an die alte Zeit und ihre Bewohner mahnt.
Die Zisterzienser in der Mark
Der Morgen graut und lacht der Nacht entgegen,
Im Osten leuchtet schon des Lichtes Segen;
Die Finsternis entflieht.
Bruder Lorenzo (Romeo und Julia)
Die beiden Ereignisse, die über das Wendentum an Havel und Spree entschieden, waren die Erstürmung Brennabors am 11. Juni 1157 und unmittelbar darauf, wenn der halb sagenhaften Überlieferung Glauben zu schenken ist, die »Havelschlacht gegenüber dem Schildhorn«, in der Jaczo, der Neffe Pribislaws, und seine noch einmal zusammengeraffte Wendenmacht entscheidend geschlagen wurde.
Schon zweihundert Jahre früher, unter den ersten Sachsenkaisern, waren die Deutschen bis ebenfalls an die östliche Havel vorgedrungen, und schon damals waren, in ihren ersten Anfängen wenigstens, der Havelberger und Brandenburger Dom gegründet worden, aber Leichtsinn, Unklugheit, Grausamkeit von seiten der Sieger hatten zunächst zu Auflehnungen der Besiegten und endlich zu völliger Abschüttelung des Jochs geführt. Das alte Wendentum war auf einhundertundfünfzig Jahre hin wieder glänzend aufgeblüht. Jetzt, nach der Niederwerfung Jaczos, war es zum zweiten Mal unterlegen, und es galt nunmehr, die Mittel und Wege ausfindig zu machen, um einer abermaligen Auflehnung vorzubeugen. Albrecht der Bär, von dem es im Volksliede heißt:
Heinrich de Leuw und Albrecht de Bar,
Dartho Frederik mit den roden Haar,
Dat waren dree Herren,
De kunden de Welt verkehren –
dieser Albrecht der Bär war just dazu angetan, diese Mittel ausfindig zu machen und das früher durch Unklugheit Gescheiterte durch Mut und Ausdauer endgültig siegreich hinauszuführen. Es ist bekannt, daß er, nach Plan und System, die Kolonisierung des Landes begann; zu den Kirchen und Burgen aber, die schon einmal die Bekehrung und Beherrschung des Landes versucht hatten, gesellte er, als ein neues, drittes, die Vereinigung von Burg und Kirche – die Klöster. Mönche wurden ins Land gerufen, vor allem die Zisterzienser, ein Orden, der eben damals auf seinem europäischen Siegeszuge bis an die Saale und Unstrut vorgedrungen war.
Da diesem überall hin pionierenden Orden die Aufgabe zufiel, auch namentlich für die Kultur und geistige Eroberung der Mark von hervorragender Bedeutung zu werden, so mag es gestattet sein, bei seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte einen Augenblick zu verweilen und das Fortschreiten desselben auf seinen großen Etappen von West nach Ost zu begleiten.
Die ersten Klöster, die zumal in Süd- und Westeuropa ins Leben gerufen wurden, waren Benediktinerklöster, d.h. Klöster, in denen die Regeln des heiligen Benedikt: Gehorsam, Armut, Keuschheit, die Fundamentalsätze alles Klosterlebens, Geltung hatten. Die Benediktiner übten diese Tugenden jahrhundertelang, aber jene Epoche, die den Kreuzzügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des kirchlichen, mindestens des klösterlichen Verfalls, ganz in ähnlicher Weise, wie derselbe fünf Jahrhunderte später zum zweiten Mal in die Geschichte eintrat, und »sittliche Reform«, worauf zunächst die Reformation
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