Wanderungen durch die Mark Brandenburg
keine Decke grünen Mooses. Diese absolute Öde, nur einmal zur Rechten durch eine Turmspitze unterbrochen, ist an sich nicht ohne einen gewissen Zauber, aber das Gefühl, daß hier die Grundelemente zu einem märkischen Landschaftsbilde ersten Ranges nur geboten wurden, um von seiten der Kultur unbenutzt zu bleiben, verkümmert die Freude an dem, was wirklich vorhanden ist.
Freilich, ständen diese Ufer auch in Grün und lachten auch die Wohnungen der Menschen daraus hervor, hier rote Dächer mit Tauben auf dem First, dort Wassermühlen, von niederstürzenden Gewässern getrieben – doch würde niemand da sein, um sich von dieser Inselstelle aus des schönen Landschaftsbildes zu freuen. Der »Pehlitzer Werder« (Insula caprarum), einst in regem Verkehr mit den Bewohnern dieser Landesteile, eine Zufluchtsstätte für Verfolgte, eine Pflegestätte für Kranke und Verwundete, ist jetzt nichts mehr als Koppel- und Grasplatz für den Amtshof. Im Monat Mai schwingen sich Knechte und Hütejungen auf die Rücken der Pferde, und wie zur Tränke reitend, schwimmen sie mit ihnen zur Insel hinüber. Diese gehört nun sommerlang den Pferden und Füllen. Am Ufer hin, in der alten Lindenallee grasen sie auf und ab und horchen nur auf, wenn bei untergehender Sonne drüben der Paarsteiner Kirchturm zu Abend läutet. Eines der halbwachsenen Füllen tritt dann auch wohl in das Klostergemäuer, um die Disteln abzugrasen, die über dem alten Mönchsgrabe stehen; aber plötzlich, als sei eine Flamme aus der Erde gefahren, dreht sich das Jungtier im Kreise herum und starrt und prustet, und mit Schüttelmähne und gehobenem Schweif flieht es die Stätte und jagt zitternd, rastlos, an der Uferlinie der Insel hin.
Kloster Chorin von 1272 bis 1542
Bis 1272 bestand Kloster Mariensee auf der Ziegeninsel im Paarsteiner See. In diesem Jahre, so scheint es, kam man überein, »wegen mehrerer Unbequemlichkeit, die sich aus der Lage des Klosters ergäbe«, dasselbe weiter westwärts und zwar an den Choriner See zu verlegen, richtiger wohl, es mit einer neuen klösterlichen Pflanzung, die sich bereits am Choriner See befinden mochte, zu vereinigen. Eine solche neue Pflanzung muß nämlich, wenn auch nur in kleinen Anfängen, um 1272 schon existiert haben, wie nicht nur aus einzelnen allerdings so oder so zu deutenden urkundlichen Angaben, ganz besonders aber aus einer Steintafelinschrift hervorgeht, die noch bis zum Jahre 1769 im Kloster vorhanden war. 12 Die ersten Zeilen derselben lauteten:
»Anno 1254 ist der Markgraf Johannes (I.), Churfürst zu Brandenburg, der dieses Kloster Chorin Cistercienser-Ordens gestiftet, allhier begraben.«
Wenn nun bereits um 1254 Markgraf Johann I. hier beigesetzt werden konnte, so mußte wenigstens ein Klosteranfang und in ihm eine Grabkapelle vorhanden sein. Wir werden nicht irregehen, wenn wir die Anfänge von Kloster Chorin gerade um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts setzen.
Wie immer aber dem sein möge, jedenfalls haben wir von 1272 an ein Kloster Chorin und dürfen annehmen, daß sich die bauliche Vollendung desselben, trotz einer unverkennbaren Großartigkeit der Anlage, in verhältnismäßig kurzer Zeit vollzogen haben muß. Es sprechen dafür die zum Teil vortrefflich erhaltenen Überbleibsel des Klosters, die ihrem Baustil nach in die Wendezeit des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts gehören. Die Zeit war einem solchen raschen Aufblühen besonders günstig; das Ansehen des Ordens stand auf seiner Höhe, und die Askanier, wie bereits hervorgehoben, waren unermüdlich, dem Kloster ihre besondere Gnade zu betätigen. Keiner mehr als Markgraf Waldemar, der letzte des Geschlechts. Fast alles Land zwischen Eberswalde und Oderberg im Süden und ebenso zwischen Eberswalde und Angermünde im Norden gehörte dem Kloster. Der Paarsteiner See war so ziemlich der Mittelpunkt der reichen Stiftung, die bei der Säkularfeier des Klosters zweiundsechzig Dörfer zählte.
Diese Dörfer deuten auf einen Totalbesitz, der dem Reichtum Lehnins (zwei Flecken und vierundsechzig Güter) nahe kam, vielleicht auch diesen Reichtum übertraf, da die Dörfer der Odergegenden im allgemeinen für reicher und ergiebiger gelten als die Dörfer der Zauche und selbst des Havellandes; doch mochte das damals, wo der Reichtum, der in den Sümpfen und Brüchen des Oberlandes steckte, noch nicht erschlossen war, anders sein als jetzt. Ist es doch noch nicht lange her, daß jedes Sanddorf vor dem Sumpfdorfe den Vorrang
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