Wanderungen durch die Mark Brandenburg
seinen ältesten Sohn damit zu begnaden. Dieser kam als Markgraf ins Land. Die Rechnung, die von seiten Chorins nunmehr angestellt wurde, war einfach die folgende: »Rudolf von Sachsen ist stärker gewesen als Mecklenburg oder Pommern, Kaiser Ludwig aber ist wiederum stärker als der Sachsenherzog.« So wurde unser Kloster denn, nachdem es drei oder vier Jahre lang sächsisch gewesen war, ohne Zögern bayrisch. Dies war die zweite Schwenkung. Aber noch andere standen bevor.
1345 tauchte der sogenannte »falsche Waldemar« auf; wir lassen dahingestellt sein, ob er der falsche oder der echte war. Sein Anhang mehrte sich, aber die größere Macht stand zunächst noch auf bayrischer Seite. Was tat nun Chorin? Es hielt aus bei den Bayern, solange Bayern der stärkere Teil war, und dies Ausharren führte den besten Beweis, daß man dem Kloster viel zuviel Ehre antut, wenn man ihm, wie geschehen ist, nachredet, daß es all die Zeit über (von 1319 bis 1345) gut askanisch gewesen wäre oder gar an der Rückkehr und Restituierung Waldemars, nötigenfalls irgendeines Waldemars, gearbeitet habe. Nichts davon. Das Kloster Chorin hatte weder die Treue, auf die Wiedereinsetzung eines »echten Waldemar«, wenn es an einen solchen glaubte, zu dringen, noch hatte es andererseits den Mut einer politisch-patriotischen Intrige, d.h. den Mut, nötigenfalls auf jede Gefahr hin und bloß dem askanischen Namen zuliebe, den unechten Waldemar zu einem echten zu machen. Chorin tat nichts, es wartete ab. Waldemar, gleichviel ob der falsche oder der richtige, zog schon zwei Jahre durchs Land, und die Uckermark, darin unser Kloster gelegen war, hatte ihn bereits anerkannt; nur gerade Abt und Konvent von Chorin zögerten immer noch, ein Wort zu sprechen und die alten askanischen Sympathien zu bezeigen. Warum? Die bayrische Herrschaft, wenn auch mannigfach bedroht, erschien noch unerschüttert, jedenfalls dem Eindringling überlegen. Chorin blieb also gut bayrisch, solange es das Klügste war, gut bayrisch zu sein.
Aber der Herbst 1348 änderte plötzlich die Machtstellung der Parteien, und mit der veränderten Machtstellung änderte sich natürlich auch die Stellung Chorins. Kaiser Karl IV., der Luxemburger, der dem bayrischen Kaiser, dem Vater des bayrischen Markgrafen von Brandenburg, auf den Kaiserthron gefolgt war, trat auf die Seite des falschen Waldemar und ließ ihn für echt erklären.
Jetzt wäre die Stunde für Chorin dagewesen, endlich Treue zu zeigen, wenn auch nur Treue gegen Bayern; aber es kannte nichts als Unterwerfung unter die Macht. Mit dieser Anerkennung des falschen Waldemar durch den Kaiser war der bayrische Markgraf von Brandenburg auf einen Schlag der schwächere Teil geworden; die natürliche Folge davon war, daß Chorin aufhörte, bayrisch zu sein, um sofort kaiserlich und Waldemarisch zu werden. 13
Dies war ein böser Fleck, eine häßliche Wandlung; aber das Häßlichere kam noch nach. Die Sache währte nicht lange; der Kaiser dachte bald anders und ließ Waldemar im Frühjahr 1350 ebenso leicht wieder fallen, wie er ihn achtzehn Monate früher erhoben hatte. Die Häuser Luxemburg und Bayern söhnten sich aus. Waldemar war nun wieder nichts oder doch nicht viel; nur die askanische Partei stand noch zu ihm. Einzelne treue unter den Städten suchten ihn auch jetzt noch zu halten, nur nicht Chorin. Die Machthaber hatten ihn fallen lassen, und das Kloster tat selbstverständlich dasselbe. Von einem Einstehen, einem Zeugnisablegen, von dem, was wir heute Charakter und Gesinnung nennen würden, keine Spur. Nach halbjähriger Teilnahme an der Waldemarkomödie war Chorin wieder so gut bayrisch, wie es vorher gewesen war. Die bayrischen Markgrafen ihrerseits waren auch zufrieden damit und machten aus dem flüchtigen Abfall nicht allzuviel. Sie drückten zwar in einer Urkunde ihren Unmut und ihre Trauer darüber aus, das Kloster nicht fest befunden zu haben; aber das war wenig mehr als eine Formalität, die Sache war beigelegt und Chorin wieder angesehen, vielleicht angesehener als zuvor. Es hielt nun auch aus, solange die Bayern im Lande waren; aber wir dürfen wohl annehmen, nicht aus Treue, sondern einfach deshalb, weil das Ausbleiben jeder neuen Versuchung ein neues Ausgleiten unmöglich machte.
Die angebliche »politische Glanzzeit« Chorins war das natürliche Resultat gegebener Verhältnisse, nicht mehr und nicht weniger, und die Quitzowzeit wird dem Kloster zu einem ähnlich abwartenden politischen Verfahren
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