Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
Held der Freiheit
Mit Nelson Mandela hat die Welt einen der größten Kämpfer gegen die Unterdrückung verloren, einen Jahrhundertpolitiker, der für seinen Widerstand gegen die Apartheid in Südafrika jahrzehntelang im Gefängnis saß. Und der am Ende zusehen musste, wie die Nachfolger sein Werk gefährdeten.
Nelson Mandela wollte sich in das Land seiner Väter zurückziehen. Der Mann, der die Geschichte Afrikas wie kein anderer verändert hatte, liebte im Alter den Blick auf die ruhige Hügellandschaft der Provinz Ostkap. Doch statt in seinem beschiedenen Heim im Dorf Qunu sanft zu entschlafen, starb Mandela nach langem Kampf in seinem von Medien umlagerten Haus in Johannesburg.
„Sein Lebenslicht weicht langsam“, hatte seine Frau Graça Machel schon vor einem Jahr betrübt mitgeteilt. Was dann folgte, war ein monatelanges Ringen mit dem Tod, ein altes Lungenleiden macht dem Helden zu schaffen. Mal durfte er nach Hause, mal musste er mit Blaulicht ins Krankenhaus, ein zermürbendes Hin- und Her. Am Donnerstagabend war es Südafrikas Präsident Jacob Zuma, der die Nachricht vom Tode Mandelas überbrachte: „Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren.“
95 Jahre alt wurde Nelson Rolihlahla Mandela, den zuletzt alle Südafrikaner egal welcher Hautfarbe nur liebevoll „Madiba“ nannten. Madiba war schon zu Lebzeiten ein Heiliger, geliebt von der ganzen Welt, ein „Mahatma Gandhi Afrikas“ (Bill Clinton), noch bis in die letzten Jahre gingen bei seinem Büro etliche Interviewanfragen und Einladungen ein. Die südafrikanische Regierung hat auf die Rückseite der Rand-Banknoten mit den „Big Five“, Löwe, Elefant, Nashorn, Büffel und Leopard, Mandelas freundliches Gesicht setzen lassen.
Als er vor fünf Jahren seinen 90. Geburtstag feierte, kamen 46.664 begeisterte Gratulanten zu einem Benefizkonzert in London. 466/64 war auch die Nummer des berühmtesten Häftlings der Welt, jenes Mannes, der nach 27 Jahren ohne Groll das Gefängnis verließ, der seinen Gegnern am Verhandlungstisch das Ende der Apartheid abtrotzte, der verhinderte, dass die friedliche Revolution der Schwarzen und Farbigen gegen die Diktatur der Weißen doch noch in ein Blutbad mündete.
„Ein gewöhnlicher Mensch“
Doch es sind nicht allein die politischen Verdienste, die die weltweite „Mandelamania“ begründen, sondern sein Charisma, seine Milde und gleichzeitig seine Beharrlichkeit. Mandela galt als Chiffre für Güte und Weisheit. Seine Aufrichtigkeit verlieh ihm Autorität. Jene, die ihn einmal trafen, berichten von einer entwaffnenden Fähigkeit, sich auf den Gegenüber einzulassen, von einer unerschütterlichen Selbstsicherheit.
Sogar seine bunten Batikhemden begründeten zumindest Afrika-weit einen Modetrend. Verehrung wurde ihm so selbstverständlich und umfassend zuteil, dass er immer wieder betonen musste, er sei „kein Messias“, sondern „ein gewöhnlicher Mensch“.
Doch der Held Madiba hat auch eine tragische Seite: Sie besteht darin, dass seine Partei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), auf dem besten Wege ist, Mandelas politisches Erbe zu verspielen. Im August 2012 schossen vor der Marikana-Mine im Nordwesten des Landes überwiegend schwarze Polizisten protestierende schwarze Minenarbeiter zusammen - ein Fanal, das beklemmende Erinnerungen weckt an die Massaker des Apartheid-Regimes, zum Beispiel an Sharpeville 1960 als 69 Schwarze im Kugelhagel der weißen Polizei starben.
Nahezu unangefochten herrscht der ANC seit 1994 über Südafrika, und der Ruf der alten Kampforganisation ist schwer lädiert. Es ist dem ANC nicht gelungen, die enorme Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen. Die Partei tut sich schwer mit der Demokratie, gilt als hochkorrupt. ANC-Funktionäre beherrschen den Staatsapparat und viele Wirtschaftszweige. Sie versorgen auch ihre Familien, Freunde und Seilschaften mit einträglichen Posten. Das neue Image des ANC überschattet allmählich den Nimbus des historischen Sieges über das rassistische Apartheid-Regime.
Mandelas Nachfolger als Präsident der Regenbogennation - wie sich das neue Südafrika gerne nennt - ist Jacob Zuma, ein Zulu-Traditionalist mit mindestens vier Frauen. Öffentlich bekannte er einst, eine heiße Dusche nach dem Sex für einen probaten Schutz vor Aids zu halten. Bei Auftritten vor Anhängern schreckte er nicht davor zurück, Schlachtrufe wie „Bringt mir mein Maschinengewehr“ anzustimmen. Einer seiner Top-Berater war tief in eine Korruptionsaffäre
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