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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ausdehnung hervorragenden Gebäuden der Stadt nimmt das Gymnasium den ersten Rang ein. Es wurde nach dem Brande von 1787 auf dem Platzviereck errichtet, auf dem wenigstens drei Kölner Dome hätten stehen können, und empfing die Inschrift, die ich diesem Kapitel vorgesetzt habe: Civibus aevi futuri.
    Die Ruppiner lateinische Schule zählt zu den ältesten der Mark und 1865 konnte bereits das fünfhundertjährige Bestehen dieser alma mater gefeiert werden. Festgedichte von erheblicher Strophenanzahl erschienen, die das Wachsen der Schule von Jahrhundert zu Jahrhundert begleiteten und dem Ruppiner Bürger, insonderheit dem des Reformationszeitalters, das ehrende Zeugnis ausstellten, »daß er durch Beifall, Lob und reiche Spenden die herzudrängenden Jünger des Wissens tatenstark gemacht« und das Ansehen der Schule durch ganz Brandenburg hin begründet habe:
     
    »Der Schule Ruf hallt durch die ganze Mark.«
     
    So war es im sechzehnten Jahrhundert und so war es auch im neunzehnten noch. Nur die Beschaffenheit des Rufs, »der immer noch durch die Marken hallte«, war inzwischen ein anderer geworden. Wohl war das Gymnasium eine Wissensquelle geblieben, aber was wenigstens in den Tagen meiner eigenen Jugend ihren besonderen Ruf begründete, war doch vorwiegend der Umstand, daß diese Ruppiner Wissensquelle zugleich eine besondere Trostesquelle geworden war. Hier hatte der »Wilde« sein Refugium, hier fühlte der an der bekannten Klippe Gescheiterte wieder Hoffnung und sah das Rettungsboot vom Lande stoßen. Mancher schon dem Untergehen Nahe, hier ist er durch liebevoll zugeworfene Schwimmgürtel sich selbst und dem Staat erhalten geblieben. Und »Gott sei Dank!« so füge ich in meiner Vorliebe für alle diese Anstalten »von der milderen Observanz« hinzu. Sie sind meines Erachtens ein notwendiger Ausgleich für den andern Orts geübten Rigorismus. Denn ich bekämpfe den Satz und werde ihn bis zum letzten Lebenshauche bekämpfen, daß der Normalabiturient oder der durch sieben Examina gegangene Patentpreuße die Blüte der Menschheit repräsentiere. Das Beste, was wir haben, ist ohne diese vorgängigen Proben geleistet worden. Und so seid mir denn gepriesen ihr Schlupflöcher, wo der Nicht-Mustermensch noch Chancen hat, sich glücklich durchwinden zu können!
    Die bei Gelegenheit der Jubelfeier von 1865 erschienenen »Annalen« ermöglichen uns einen historischen Überblick über die Schule, den wir aber nicht allzuweit rückwärts ausdehnen. Vor etwa hundert Jahren erlangte sie während des Doppelrektorates von Lieberkühn und Stuve eine Art europäische Berühmtheit. Beide, die zu den Anhängern Basedows zählten, leisteten Bedeutendes in Erweckung eines frischen Geistes in der Jugend und »die mit Vorliebe gepflegte Anthropologie erzeugte eine praktische Diätetik, die viele Schüler selbst in den Häusern ihrer anders denkenden Eltern dazu bestimmte, freiwillig allem Luxus und aller Verwöhnung, so beispielsweise dem Kaffee, dem Bier und Wein zu entsagen. Sie tranken Wasser, schliefen und badeten kalt und gefielen sich in jeglicher Abhärtung des Körpers.«
    Aber dies alles war nur Episode. Die Lieberkühn-Stuvesche Herrschaft währte nur wenige Jahre, von 1777–1786; ein Jahr darauf brannten Stadt und Schule nieder und als 1791 unser jetziges »Civibus aevi futuri« aus der Asche erstand, rückten neue Prinzipes und neue Prinzipien in das Gymnasium ein.
    Während des ersten Drittels dieses Jahrhunderts regierte Thormeyer, der Schulmonarch, wie er im Buche steht. Ich habe selbst noch bei meinem Eintritt ins Gymnasium ein Cornelius-Nepos-Kapitel unter seinen Augen oder richtiger unter seinen Nüstern übersetzt, und was Thackeray in seinem Vanity fair erzählt, »daß ihm von Zeit zu Zeit immer noch Mr. Birch in seinen Träumen erscheine«, das kann ich auch von meinen Beziehungen zum alten Thormeyer sagen. Er war eine Kolossalfigur mit Löwenkopf und Löwenstimme, lauter Schreckensattribute, die dadurch nicht an Macht verloren, daß man sich schaudernd erzählte, »er sei überhaupt nur von Stendal nach Ruppin versetzt worden, weil er sich an ersterem Ort an seinem Ephorus hart vergriffen habe«. Das Wort »vergriffen« hatte für meine zwölfjährige Knabeneinbildungskraft etwas ganz besonders Schauerliches.
    Ich muß bei diesem Manne noch einen Augenblick verweilen, weil sich mir einige »kunsthistorische Bemerkungen« dabei aufdrängen und weil an einer Erscheinung, wie die seinige, der außerordentliche

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