Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
sie gebildet hatte, ein Seitenstück zu den Urwäldern Südamerikas, nur kleiner und nicht Wald, sondern Luch. Es zeigte damals in großer Ausdehnung, was kleinere Bruchflächen der Mark noch jetzt zeigen. Weit und breit bedeckte ein Rasen aus zusammengefilzter Wurzeldecke von bräunlichgrüner Farbe die wassergleiche Ebene, deren kurze Grashalme besonders den Riedgräsern angehörten. In jedem Frühjahr quoll der Boden durch das hervordringende Grundwasser auf, die Rasendecke hob sich in die Höhe, bildete eine schwimmende, elastische Fläche, welche bei jedem Schritt unter den Füßen einsank, während sich ringsum ein flach trichterförmig ansteigender Abhang bildete. Andere Stellen, die sich nicht in die Höhe heben konnten, sogenannte Lanken , wurden überschwemmt, und so glich das Luch in jedem Frühjahr einem weiten See, über welchen jene Rasenstellen wie grüne, schwimmende Inseln hervorragten, während an anderen Stellen Weiden, Erlen und Birkengebüsch sich im Wasser spiegelten oder da, wo sie auf einzelnen Sandhügeln, den sogenannten Horsten , gewachsen waren, kleine Waldeilande darstellten. Solcher Horsten gab es mehrere, von denen einige mitten im Havelländischen Luche lagen. Die umliegenden Ortschaften versuchten es, dem Luche dadurch einigen Nutzen abzugewinnen, daß sie ihre Kühe darin weiden ließen und das freilich schlechte und saure Gras, so gut es ging, mähten. Beides war nur mit großer Mühseligkeit zu erreichen. Das Vieh mußte häufig durch die Lanken schwimmen, um Grasstellen zu finden, oder es sank in die weiche Decke tief ein, zertrat dieselbe, daß bei jedem Fußtritt der braune Moderschlamm hervorquoll, ja daß es sich oft nur mit großer Mühe wieder herausarbeitete. Oft blieb eine Kuh im Moraste stecken und ward nach unsäglicher Mühe kalt, kraftlos und krank wieder herausgebracht oder, wenn dies zu schwerhielt, an dem Orte, wo sie versunken war, geschlachtet und zerstückt herausgetragen. Nur im hohen Sommer und bei trockener Witterung war der größte Teil des Luchs zu passieren; dann mähte man das Gras, allein nur an wenigen Stellen konnte es mittels Wagen herausgebracht werden; an den meisten mußte man es bis in den Winter in Haufen stehenlassen, um bei gefrornem Boden es einzufahren. Unter allen Umständen war das Gras schlecht und eine kümmerliche Nahrung. Sowenig nutzbar dieses Bruch für den Menschen und sein Hausvieh war, so vortrefflich war es für das Wild geeignet. In früheren Zeiten hausten hier selbst Tiere, welche jetzt in der Mark nicht mehr vorkommen, wie Luchse, Bären und Wölfe. Besonders aber waren es die Sumpfvögel, Kraniche und Störche, welche hochbeinig in diesem Paradiese der Frösche einherstolzierten, und mit ihnen bewohnte die Wasser ein unendliches Heer von Enten aller Art, nebst einer Unzahl anderer Wasservögel. Kiebitze, Rohrsänger, Birkhähne, alles war da, und in den Flüssen fanden sich Schildkröten, wie allerhand Schlangen in dem mitten im Luch gelegenen Zotzenwald.«
Im Rhin -Luch änderten sich diese Dinge schon zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts; Gräben wurden gezogen, das Wasser floß ab, und die Herstellung eines Dammes quer durchs Luch hindurch wurde möglich. Wo sonst die Fehrbelliner Fähre , über Sumpf und See hin, auf- und abgefahren war, erstreckte sich jetzt der Fehrbelliner Damm . Das Jahr genau zu bestimmen, wann dieser Damm gebaut wurde, ist nicht mehr möglich; doch existiert schon aus dem Jahre 1582 eine Verordnung, in der von seiten des Kurfürsten Johann Georg »dem Capitul zu Cölln an der Spree, den von Bredows zu Kremmen und Friesack, den Bellins zu Bellin und allen Zietens zu Dechtow und Brunne kund und zu wissen getan wird, daß der Bellinsche Fährdamm sehr böse sei und zu mehrerer Beständigkeit mit Steinen belegt werden solle «.
Das große Havelländische Luch blieb in seinem Urzustand bis 1718, wo unter Friedrich Wilhelm I. die Entwässerung begann. Vorstellungen von seiten der zunächst Beteiligten, die ihren eigenen Vorteil, wie so oft, nicht einzusehen vermochten, wurden ignoriert oder abgewiesen, und im Sommer desselben Jahres begannen die Arbeiten. Im Mai 1719 waren schon über 1000 Arbeiter beschäftigt, und der König betrieb die Kanalisierung des Luchs mit solchem Eifer, daß ihm selbst seine vielgeliebten Soldaten nicht zu gut dünkten, um mit Hand anzulegen. 200 Grenadiere, unter Leitung von zwanzig Unteroffizieren, waren hier in der glücklichen Lage, ihren Sold durch Tagelohn
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